Kommentar Linkspartei: Zurück nach Osten

Einem spannenden Experiment droht die Beerdigung – und zwar genau dort, wo es angefangen hat: Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen kämpft ums Überleben.

Es sieht trostlos aus. Während die Welt am Sonntag mal wieder mit einer neuen Stasi-Geschichte über Gregor Gysi aufmacht, versuchte sich die nordrhein-westfälische Linkspartei am Wochenende in Hagen Mut zu machen für die Landtagswahl am 13. Mai.

Doch so recht gelingen wollte es nicht. Zu groß sind bei vielen die Zweifel, es noch mal packen zu können. Es ist ein Himmelfahrtskommando, auf das sich die beiden SpitzenkandidatInnen Katharina Schwabedissen und Wolfgang Zimmermann eingelassen haben.

Einem spannenden Experiment droht die Beerdigung – und zwar genau dort, wo es angefangen hat. Es waren jene 2,2 Prozent, die die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 einfahren konnte, die die WASG erst zum Objekt der Begierde für die im Westen jenseits der Wahrnehmungsgrenze vor sich hindümpelnden PDS machte.

Und ohne den seinerzeitigen Achtungserfolg hätte sich wohl auch Oskar Lafontaine nie auf das Wagnis Linkspartei eingelassen. Als sie beim Urnengang 2010 mit 5,6 Prozent den Sprung in den Landtag schaffte, galt das als der endgültige Durchbruch im Westen.

Der nordrhein-westfälische Landesverband steht denn auch wie kein anderer für das Projekt „Die Linke“. Nirgendwo sonst ist noch so deutlich zu erkennen, aus was es entstanden ist: aus dem Zusammenschluss der von westdeutschen Gewerkschaftern und heimatlosen Linken gegründeten WASG mit der DDR-geprägten PDS.

In Ostdeutschland nennt sich die PDS heute nur anders, die Wahlerfolge im Saarland wären ohne die alte Strahlkraft Oskar Lafontaines nicht denkbar. An Rhein und Ruhr entstand hingegen tatsächlich etwas Neues, linker und rebellischer. Doch die Euphorie der Anfangsjahre ist längst weitergezogen – hin zu den Piraten, die jetzt von jener Aufbruchstimmung beflügelt werden, die der von den Mühen der Ebene zermürbten Linkspartei heute fehlt.

Die Piraten wären zwar sicherlich eine Bereicherung im Düsseldorfer Parlament, ersetzen könnten sie die Linkspartei jedoch nicht. Es wäre ein Verlust, würde sie künftig als linkes und soziales Korrektiv ausfallen – gerade bei der zu erwartenden stabilen rot-grünen Mehrheit.

Aber es geht noch um mehr: es geht um das Scheitern des Versuches, eine bundesweit ausstrahlungskräftige Partei links der SPD zu etablieren. Wo alles begann, droht jetzt der Anfang vom Ende. Nach dem 13. Mai könnte die Linkspartei wieder dort ankommen, wo die PDS vor 2005 bereits stand: relevant nur im Osten. Nicht nur für die FDP geht es also um einen Überlebenswahlkampf.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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