Kommentar Koalitionsausschuss: Nicht jede Attacke ernst nehmen

Wer Europa retten will, muss sich auch um den Kleinkram kümmern. Die Kanzlerin fördert die Arbeitsteilung und entscheidet nur das Wichtigste selbst.

Es ist kein Wunder, dass sich Spitzenleute von Union und FDP für ihre jüngsten Beschlüsse loben, als hätten sie Historisches geleistet. Nach wackliger Griechenland-Mehrheit, Gauck-Krach und Frosch-Vergleich soll das Ergebnis des Koalitionsausschusses den Beweis liefern, dass diese Regierung noch in der Lage ist, Politik zu machen.

In der Tat: Es ist schön zu wissen, dass Schwarz-Gelb auch arbeitet, statt zu streiten – ganz sicher konnte man sich da in den vergangenen Wochen nicht mehr sein.

Nun könnte man sich darüber lustig machen, dass die Koalitionäre nur kleines Karo schaffen. Die Parteispitzen umgehen alle offenen Großkonflikte, etwa bei der Pflege oder beim dauerhaften Eurorettungsschirm, stattdessen segnen sie unstrittigen Kleinkram ab. Doch dies wäre zu kurz gegriffen. Denn es ist das Symptom einer Arbeitsteilung, welche die Kanzlerin innerhalb der Koalition etabliert hat.

Sie selbst lässt sich beim Regieren längst nicht mehr von der FDP oder der CSU stören. Sie schwebt scheinbar unberührt über all den Koalitionskrächen und entscheidet das Wichtige selbst. Am augenfälligsten ist das bei der Europapolitik, wo Merkel ihren Wissensvorsprung ausspielen kann, den sie den zu Hause motzenden Partnern voraushat. Wer Europa retten will, kann nicht jede Attacke ernst nehmen.

Deshalb kommt auch dem Kleinkram eine wichtige Rolle zu: Er wirkt in einer Koalition, die bei wichtigen Fragen auseinanderdriftet, wie Leim. Indem jeder Beschluss einen der Partner beruhigt und streichelt. So schmückt sich die FDP damit, das bürokratische Kooperationsverbot in der Bildungspolitik zu lockern, während Hardliner in der CSU den Warnschussarrest bejubeln. Und die Kanzlerin kann sich weiter dem wirklichen Regieren widmen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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