Biologin Simkó über Nanotechnologie: "Das mit der Zahncreme gefällt mir"

Die Biologin Myrtill Simkó über die Schwierigkeiten, Materialien auf Nano-Basis zu überwachen, Nano-Partikel aufzuspüren und deren Nutzen für die Mundgesundheit.

Nadel piekst Nano-Partikel unter dem Elektronenmikroskop. Bild: dpa

taz: Frau Simkó, die Dosis macht das Gift. Stimmt diese alte Weisheit von Paracelsus auch für Nanopartikel?

Myrtill Simkó: Ich denke, ja. Allerdings haben wir derzeit überhaupt keine klare Definition dafür, wie wir die Dosis von Nanomaterialien bestimmen können.

Wieso nicht?

Bei einer herkömmlichen Chemikalie können sie genau berechnen: Wenn ich den Stoff in diese oder jene Lösung bringe, lösen sich soundsoviele Atome und reagieren auf eine bestimmte Weise. Sie unterliegen den chemischen Gesetzen. Bei Nanomaterial ist das schwieriger: Je kleiner ein Material ist, desto vielfältiger ist seine Wirkung. Die ist nämlich nicht nur chemisch, sondern auch physikalisch oder biologisch. Wenn ein Stoff sehr klein ist, ist seine Oberfläche im Verhältnis zum Volumen größer. Das beeinflusst die Reaktionsfähigkeit. Auch Form und elektrische Ladung spielen wohl eine Rolle, hier sind wir in der Physik. Diese Aspekte müssen in eine Definition der Dosis mit eingehen.

Wieso ist das so wichtig?

ist Professorin für Zellbiologie. Nach Lehrtätigkeiten an den Universitäten im schwedischen Örebro und in Rostock ist sie heute wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wiener Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Bereich Nanotechnologien.

Nehmen sie Silber: Das ist für Menschen giftig, allerdings in absurd hohen Dosen. Silber-Nanopartikel aber könnten in einzelne Körperzellen eindringen und dort in hohen Konzentrationen auftreten, so hoch, wie sie sonst niemals erreicht werden können. Dann haben sie lokal eine extrem hohe Dosis...

... und dann wird es gefährlich?

Eben nicht unbedingt. Unser Körper wird täglich mit ungesunden Stoffen und Strahlen bombardiert, mit Sonnenstrahlen oder Staub. Damit kommt er erstaunlich gut zurecht. Zuviel Sonnenlicht ist schlecht - zuwenig aber auch. Darum ist es so wichtig, die Dosis bestimmen zu können und eine Systematik zu entwickeln. Einzelne Studien helfen da wenig: Wir bräuchten mehr systematische Ansätze, die sind aber enorm teuer und langwierig.

Für Behörden sind Grenzwerte ein wichtiges Instrument im Umwelt- und Gesundheitsschutz. Wie können sie Nanomaterialien derzeit überwachen?

Nur sehr schwierig, darum plädieren sie derzeit auch vor allem an die Verantwortung der Unternehmen. Vielfach lässt sich nicht einmal bestimmen, ob Nanopartikel irgendwo vorkommen. Der Nachweis ist ein enorm komplexes, chemisches Verfahren. Aber mit Reach und der Echa gibt es ein Regelwerk in der europäischen Chemikaliengesetzgebung und eine Überwachungsbehörde für Chemikalien, das funktioniert ganz gut, wenn sich die Firmen daran halten.

Was sind die dringlichsten Forschungsfelder?

Wir müssen mehr über die Exposition wissen. Wir wissen derzeit überhaupt noch nicht, welche Bevölkerungsteile überhaupt Nanopartikeln ausgesetzt sind. Außerdem brauchen wir Langzeitstudien, die zeigen, was passiert, wenn Mensch und Umwelt über längere Zeit mit Nanomaterialien in Kontakt kommen. Auch darüber wissen wir nur sehr wenig bis gar nichts.

Was bedeutet das zum Beispiel für den Kauf von Zahnpasta mit Nanopartikeln?

Prinzipiell gefällt mir die Idee mit der Zahncreme sehr gut, das wäre doch praktisch, wenn man kleine Verletzungen auf den Zähnen beim Putzen reparieren könnte. Angst vor Nebenwirkungen hätte ich erstmal nicht, denn Zahncreme wird ja in der Regel wieder ausgespuckt. Und wenn ja dann ist es nur sehr wenig und dann kommt es wieder auf die Dosis an. Allerdings kenne ich keine Studie, die nachweist, dass diese Paste wirklich funktioniert. Viele Produkte, die mit Nanotechnologie beworben werden, enthalten übrigens gar keine Nanopartikel. Das ist kein geschützter Begriff.

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