Diskriminierung in den Niederlanden: "Verluderte und diebische Osteuropäer"

Den Arbeitsplatz an einen Polen verloren? Darüber können sich Niederländer auf einer Websites der Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders beschweren.

Stimmungsmacher gegen Osteuropäer: Rechtspopulist Geert Wilders. Bild: dapd

AMSTERDAM taz | Eine Initiative der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) sorgt in den Niederlanden für Diskussionen. In der vergangenen Woche richtete die Partei auf ihrer Website eine "Anlaufstelle Mittelosteuropäer" ein. In einem Formular können Bürger dort ihre Beschwerden über Arbeitsmigranten aus Osteuropa melden. Zur Verfügung stehen zwei Kategorien: "Belästigung", worunter "Lärm, Parken, Trunkenheit und Verluderung" fallen, und der Verlust des Arbeitsplatzes "an einen Polen, Bulgaren, Rumänen oder anderen Mittel- oder Osteuropäer." Die Klagen sollen dem Ministerium für Arbeit und Soziales überreicht werden.

Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Thijs Berman verurteilte die Initiative scharf. Er kritisierte die "Feigheit anonymer Einsendungen" und bezeichnete die Anlaufstelle als "sehr diskriminierend".

Auf dem entsprechenden Teil der Website erscheinen Zeitungsartikel mit Titeln wie "Osteuropäer immer krimineller", "Schamlose Diebe" oder "Polen, Bulgaren und Rumänen nehmen in der Kriminalitätsstatistik zu". In einem kurzen Begleittext macht die PVV die Öffnung des niederländischen Arbeitsmarkts für Osteuropäer von 2007, von der vor allem Polen Gebrauch machen, für die vermeintlichen Probleme verantwortlich. Bulgaren und Rumänen sollen erst 2014 Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.

Berman forderte eine Reaktion von Ministerpräsident Mark Rutte. Dieser müsse eingreifen, "wenn die Werte des Landes fundamental angegriffen werden". Rutte, dessen konservative Minderheitsregierung von der Unterstützung der Rechtspopulisten abhängt, ließ wissen, die Initiative gehe von der PVV aus und nicht von seiner Regierung. Sobald PVV- Chef Wilders "zu weit gehe", werde er "etwas sagen."

"Tadelnswerte Initiative"

Genau dies fordert inzwischen die Europäische Union von Rutte. Der Parlamentsvorsitzende Martin Schulz kündigte an, den Ministerpräsidenten bald in der Sache sprechen zu wollen, da viele Abgeordnete sehr wütend über die Anlaufstelle seien. EU-Justizkommissarin Viviane Reding kritisierte unterdessen den "Aufruf zur Intoleranz" und rief alle Niederländer auf, auf der besagten Website dagegen zu protestieren. Die Initiative der PVV stehe der Freiheit von EU- Bürgern entgegen, in einem anderen Land zu arbeiten. Gegen die Website vorgehen will die EU-Kommission jedoch nicht. "Die Kommission ist nicht dafür da, allerseits den Polizisten für die Grundrechte zu spielen", sagte Redings Sprecher.

Protest gibt es nun auch aus diplomatischen Kreisen. "Die polnische Botschaft in Den Haag spricht auf ihrer Website von einer "tadelnswerten Initiative". Zudem verfassten die Botschafter von zehn mittel- und osteuropäischen Staaten einen offenen Brief an die Niederlande. Darin weisen sie das Bild zurück, Bürger ihrer Länder nähmen Niederländern die Arbeit weg. "Die Initiative fördert das negative Image bestimmter EU-Bürger in der niederländischen Gesellschaft", heißt es weiter. Zudem riefen sie die niederländische Regierung dazu auf, sich von dem Aufruf zu distanzieren. Diese lehnte dies ab.

Inzwischen kommen auch aus der Koalition in Den Haag kritische Stimmen. Frans Weisglas, der frühere Parlamentsvorsitzende und prominentes Mitglied der neoliberalen Regierungspartei VVD, sprach in der Tageszeitung Volkskrant von "purer Diskriminierung." Seinen Parteigenossen Rutte forderte er auf, endlich seine ängstliche Haltung gegenüber en Rechtspopulisten aufzugeben. In der Koalition aus VVD und Christdemokraten wächst die Sorge, das niederländische Ansehen könnte durch die Initiative Schaden nehmen. Speziell um die Beziehungen zu den Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien ist es ohnehin nicht zum Besten bestellt, da Den Haag weiter ihren Beitritt zur Schengen- Zone verhindert.

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