Comedy-Jubiläum: Der deutsche Humor ist harte Arbeit

Der "Quatsch Comedy Club" wird 20 Jahre alt. Gründer Thomas Hermanns etablierte die Show-Treppe und bewies gutes Gespür. Für viele Größen war der Club die erste Bühne.

Gründer vom Quatsch Comedy Club: Thomas Hermanns. Bild: dpa

Dann wird Steffi aus dem Publikum auf die Bühne gezerrt. Sie ist Lehrerin im Ruhestand und steht leicht unentspannt neben einem Comedian, der als Vampir verkleidet ist. Im Hintergrund leuchtet ein orangefarbenes "Q". "Was sind deine Hobbys, Steffi?", fragt der Comedian. Steffi antwortet zögerlich: "Mein Mann". Sagt der Vampir: "Also reiten." Ein Riesenlacher.

Es ist "Club Mix"-Abend im Quatsch Comedy Club in Berlin. Das heißt: Ein Moderator präsentiert vier Comedians, die kein Nachwuchs mehr sind, aber auch nicht zu denen gehören, die in allen Fernsehformaten auftreten. Der Club im Keller des Friedrichstadtpalasts ist einer von inzwischen drei Club-Dependancen und gut gefüllt. Es kommen Touristen und Berliner. Paare und Gruppen. "Wie alt bist du?", fragt der Moderator eine Frau aus Luxemburg. "Zwanzig", antwortet sie. Darauf er: "Tolles Alter. Hier sind Männer im Raum, da ist die Unterwäsche älter."

Tja. Hier wird hart daran gearbeitet, dass "Deutschland lustiger wird", wie Club-Gründer Thomas Hermanns im gerade erschienenen Jubiläumsbuch programmatisch postuliert. Hermanns, 48, startete das Bühnenformat "Quatsch Comedy Club" vor ziemlich genau 20 Jahren in der Kantine des Hamburger Schauspielhauses und gilt daher als "Pate" der Stand-up-Comedy in Deutschland.

Der Fernsehcomedyboom begann dann ein Jahr später mit der RTL-Sendung "Samstag Nacht". Deren Star Wigald Boning hatte Hermanns im Jahr davor bei Karstadt getroffen und zum Auftritt bei der Quatsch-Premiere am 31. Januar 1992 überredet. Beim zweiten Mal war dann auch schon Olli Dittrich dabei, der andere "Samstag Nacht"-Star. Auch Cindy aus Marzahn, Michael Mittermaier, Rüdiger Hoffmann und Rainald Grebe haben dort debütiert.

Seit 1993 gibt es den Quatsch Club als Fernsehsendung, seit 1997 läuft er mit Unterbrechungen bei ProSieben. Die Jubiläumsfeier am 1. Februar in Berlin liest sich wie ein Who is who der Branche.

Thomas Hermanns war für die taz nicht zu sprechen. Überliefert ist indes seine These, dass er und seine Clubmitstreiter "den Comedian als Popstar etabliert" hätten. Richtig ist, dass der größte Publikumsmagnet, Mario Barth, 2008 das Berliner Olympiastadion ausverkauft hat und andere Humorstars wie Mittermaier, Grebe, Cindy, Eckart von Hirschhausen oder Dieter Nuhr – auch dank des Fernsehens – so populär sind, dass sie mittlere Hallen füllen.

Bleibt der Live-Boom

Comedy hat in zwei Jahrzehnten unzählige Fernsehsendestunden gefüllt. Oft mit identischen Leuten und Pointen, aber das ist für die Betreiber der Wertschöpfungsketten ja gerade das Geniale. Der Fernsehhöhepunkt ist längst überschritten, ob der Liveboom anhält, muss man abwarten. Aber das Genre ist nicht mehr wegzukriegen.

Für manche ist Comedy weiterhin der Untergang des Abendlandes. Aber die haben vermutlich auch schon lange kein Sozialdemokratenkabarett mehr gesehen. Und überhaupt war früher nicht alles besser. Das sollten gerade wir Deutsche immer bedenken. Man mag also mosern, dass die problematische politische, ökologische und gesellschaftliche Realität nicht infrage gestellt wird, sondern bestätigt, mag Anarchie vermissen und Subversion.

Aber es kann auch eine Qualität sein, wenn keine faden Westerwelle-Witze gerissen werden. Und wer schon kritisieren muss, dass die Comedy sich ihre Opfer nicht oben, sondern unten sucht, sollte wenigstens nicht wie der Spiegel raunzen, dass die Comedy-Kalauer "sich an Leute wenden, die den IQ einer Scheibe Cervelatwurst haben".

Comedy, sagen die Comedyverteidiger, sei demokratisch und egalitär, weil sie unterhalten will und dabei gerade nicht Über-Ich-Moral, Politikgremienerfahrung und Bekenntnis zu Gender-Mainstreaming voraussetzt. Es geht um "wirklich gute Unterhaltung", wie der Grimmepreisträger Olli Dittrich sagt.

Dittrich funktioniert in Massensendungen wie "Wetten, dass . . ?" genauso wie in Nischen, derzeit etwa als Sidekick in der Sat.1-Sendung von Harald Schmidt. Er hat sich mit seiner Figur des erwerbsarbeitslosen Imbissbudenphilosophen "Dittsche" längst jeglicher Kategorisierung entzogen. "Dittsche" wurde in der zweiten Show des Quatsch Club im Februar 1992 uraufgeführt.

Wigald Boning hatte ihn angeschleppt, der mit ihm beim Bezahlsender Premiere erste komische Spots drehte. Dittrich war noch nie solo aufgetreten und hatte auch kein Material, nur auf seinem Anrufbeantworter ein erstes "Dittsche"-Hörspiel. Damit, und mit einem geliehenen Bademantel eines WG-Kumpels, trat er auf.

Rainald Grebe ist heute auch ein Mann, der große Hallen füllt. Auch er debütierte in dieser zweiten Show und war dabei, als "Dittsche" entstand. "Wie die Leute sich damals weggelacht haben", sagt er, "das war unnormal, weil es neu war." Ein Mensch, ein Mikro und etwas Neues, das war die Vorgabe. Grebe blieb drei Jahre. Anfangsgage: 300 Mark plus Essen und Spesen.

Als das Fernsehen immer mehr Comedy wollte, nahm die Formatierung zu und sei "Goldgräberstimmung" eingezogen, sagt er. Grebe ging dann erst mal weg. Das heißt nicht, dass er vergessen hätte, dass Hermanns ihn aus einer Schülercombo rausholte und ihm die Chance gab. Grebe kam immer wieder zurück. Überhaupt wird über Hermanns nichts Schlechtes geraunt und immer wieder sein Gespür gelobt, für "das, was ankommt".

Der Quatsch Club war allerdings nicht der einzige Nukleus, in dem Comedy entstand, der Fernsehsender Premiere war auch früh dran. Und Hermanns war nicht der Einzige, der die US-Sendung "Saturday Night Live" kannte und mochte. Hugo Egon Balder, Jacky Dreksler und der damalige RTL-Programmchef Marc Conrad kannten sie auch und entwickelten analog "RTL Samstag Nacht", das der Comedy in Deutschland zum Mainstreamdurchbruch verhalf.

Aber, sagt Olli Dittrich, Hermanns, seine Mitstreiterin Renate Berger und Uriz von Oertzen, der in der schwierigen Anfangszeit zum Team gehörte, hätten "große Pionierarbeit geleistet". Alles ohne Subventionen übrigens. Hat Hermanns Stars gemacht? Er sei "grundsätzlich vorsichtig damit, zu sagen, dass jemand jemanden groß macht", sagt Dittrich. "Aber alle, die heute Stand-up machen, waren zumindest da."

Eckart von Hirschhausen ist Fernsehmoderator, Bestsellerautor und erfolgreicher Bühnenhumorist in Personalunion. Der Quatsch Club sei für ihn "sehr wichtig" gewesen. Erst trat er dort live auf und konnte sich ausprobieren und entwickeln, dann fanden Hermanns und Berger ihn irgendwann so gut, dass sie ihn in das ProSieben-Fernsehformat nahmen. "Das war der Ritterschlag und eine Eintrittskarte zu anderen Fernsehformaten."

Hermanns – in enger und affirmativer Symbiose mit dem Medium Fernsehen aufgewachsen – brachte sein Verständnis von Glamour und die Liebe zu großen Showtreppen in eine Szene, die vorher als "Kleinkunst" stark politisch und über Kabarettensembles und Jugendzentren definiert wurde - abgesehen von wenigen Alleinunterhaltern wie Otto Waalkes oder Mike Krüger. Der Quatsch Club führte ein "niederschwelliges Angebot ein", wie Hirschhausen sagt.

Hermanns scoutete potenzielle Komödianten und bot ihnen eine Auftrittsmöglichkeit. Motto: Hier hast du zehn Minuten, und dann mal sehen, ob es vor Publikum trägt. Dieter Nuhr sagte mal, er hätte ohne den Quatsch Club wohl als Lehrer geendet. "Thomas Hermanns hat die deutsche Comedy-Szene sehr positiv geprägt und mich persönlich auch sehr unterstützt, Komik ernst zu nehmen, so komisch das klingt", sagt Hirschhausen.

Männer und Frauen, darauf weist der Münsteraner Comedian Carsten Höfer an diesem Club-Abend in Berlin hin, unterscheiden sich. Nur zum Beispiel: Bevor sie zu Claudias Geburtstag gehen, stehen Frauen stundenlang im Badezimmer. Männer nicht. Und so weiter. Zwar hat selbst Hermanns schon mehrfach darauf hingewiesen, dass ihm "das Ende der Männer-Frauen-Diskussion erreicht" scheint: Aber die Leute im Club lachen. Und zwar oft und gern und laut. Sagt die Kosmetikerin: "Sie haben aber große Poren." Denkt er sich: "Und du einen großen Arsch." Riesenlacher. Soll man so schöne Witze etwa wegwerfen, wenn es Bedarf dafür gibt?

Der damalige Intendant des Hamburger Schauspielhauses setzte den neuen Quatsch übrigens 1992 nach der ersten Aufführung ab. "Eine derartige Darbietung", schrieb er erschüttert an Hermanns, "können wir im Deutschen Schauspielhaus nicht verantworten." Nicht mal in der Kantine. Für die Zehnjahresfeier bekam der Quatsch dann die größte Bühne.

"20 Jahre Quatsch Comedy Club - Die große Jubiläumsgala", Do., 9. Februar, 20.15 Uhr, ProSieben

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.