Neue Zeitung "Jewish Voice from Germany": Für das Immunsystem der Gesellschaft

Die Publikation von Herausgeber Rafael Seligmann will sich um die Außenwahrnehmung jüdischen Lebens in Deutschland kümmern. Bei der Präsentation ist der Andrang groß.

Herausgeber Rafael Seligmann und Außenminister Guido Westerwelle. Bild: reuters

Die Stühle wurden knapp, als der jüdische Publizist Rafael Seligmann diese Woche in Berlin die erste Ausgabe seines neuen Zeitungsprojekts The Jewish Voice from Germany vorstellte. Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kam. In einer Rede mahnte er, dass es alles andere als selbstverständlich sei, dass das jüdische Leben wieder einen festen Platz in unserer Gesellschaft habe.

"Das Immunsystem der Gesellschaft, es funktioniert offenbar", sagte Westerwelle. Die Jewish Voice startet immerhin mit einer Erstauflage von 30.000 Exemplaren. Sie erscheint auf Englisch. Seligmann sieht die Hauptaufgabe des Blatts darin, genau diese Botschaft vom funktionierenden deutschen Immunsystem zu verkünden, vor allem einer Leserschaft im Ausland. Das dürfte den Außenminister freuen.

Auf seiner jüngsten Reise durch Nordafrika sei er vielfach auf die schrecklichen Morde durch den nationalsozialistischen Untergrund (NSU) angesprochen worden, so Westerwelle. Da kommt die vierteljährlich erscheinende Jewish Voice, die sich laut eigenem Bekunden "als Kommunikationsbrücke" zwischen der jüdischen Gemeinde in Deutschland und den großen jüdischen Glaubensgemeinschaften in Nordamerika, Israel und Großbritannien sieht, als positives Signal nach außen wohl gerade recht. Die Hälfte der Auflage der Jewish Voice geht denn auch in die USA, nur ein Viertel ist für den deutschen Markt bestimmt.

Große Namen

Die Aufmerksamkeit, die der 24 Seiten starken Zeitung gerade zuteil wird, hat wohl auch damit zu tun, dass Herausgeber Rafael Seligmann gut vernetzt ist in Wirtschaft und Politik. Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, schreibt einen Leitartikel, in dem er ein NPD-Verbot fordert.

Der frühere Regierungssprecher und Generalkonsul in New York, Uwe-Karsten Heye, analysiert den Faschismus in der Mitte der deutschen Gesellschaft – und darf dabei gleich noch die von ihm gegründete und von mehreren Ministerien geförderte Initiative für mehr Toleranz ("Gesicht zeigen") vorstellen.

Im sogenannten "Board", einem beratenden Gremium, sitzt neben Wirtschaftsvertretern mit Sigmar Gabriel (SPD), Christian Lindner (FDP) und Monika Grütters (CDU) fast das ganze bundespolitische Parteienspektrum. Seligmanns Zeitungsprojekt lebt gewissermaßen von seinen namhaften Unterstützern. Denn die Jewish Voice versteht sich nicht als eine Zeitung, die im Straßenverkauf über die Runde kommen muss – auch wenn sie dort ebenfalls erhältlich sein wird. Man richte sich gezielt an "Multiplikatoren", erklären die Blattmacher.

Die entsprechenden Leser: Abgeordnete des deutschen Bundestags, der israelischen Knesset, des US-Kongress. Die politische Linie der Jewish Voice im Nahostkonflikt macht Seligmann in der ersten Ausgabe bereits unmissverständlich deutlich. Er tritt für eine Zweistaatenlösung ein.

Die Werbekunden haben in der ersten Ausgabe gut gebucht. Im Blatt findet sich eine ganzseitige Anzeige der Deutschen Bank – Ressortleiter Wirtschaft in Seligmanns Team ist der ehemalige Kommunikationschef der Deutschen Bank, Siegfried Gutermann. Auch der Freistaat Sachsen investierte in eine halbe Seite – der sächsische Staatsminister Johannes Beermann sitzt im beratenden Gremium der Jewish Voice. Vielleicht betonte man auf der Pressekonferenz ja auch deshalb so oft die Unabhängigkeit der Zeitung.

Ob sich die Jewish Voice etablieren kann, werden die nächsten Ausgaben zeigen. Der Anspruch jedenfalls ist hoch. "Ich habe einen Traum", schreibt Seligmann auf der Homepage der Zeitung. "Es ist der Traum von der Wiedergeburt der deutsch-jüdischen Lebens."

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