Kommentar Beobachter in Syrien: Mission mit vielen offenen Fragen

Es wird nicht alles von den arabischen Beobachtern abhängen. Denn der syrischen Opposition muss es gelingen, den Druck von Innen weiter zu erhöhen.

Mit der Ankunft der Beobachter der Arabischen Liga in Syrien hat eine neue Phase des Aufstands begonnen. Bisher auf lokaler Ebene ausgefochten, wird der Konflikt nun arabisiert, um seine Internationalisierung zu verhindern. Das macht die Mission zum Test für drei Parteien: Die Arabische Liga muss nun zeigen, dass sie unabhängig vom Assad-Regime arbeiten kann.

Für die Opposition wiederum besteht die größte Herausforderung darin, dass sie in einen Dialog mit einem Regime treten soll, das sie eigentlich loswerden will. Und das Regime müsste seine Gefängnisse öffnen und sich in den Aufstandsgebieten in die Karten schauen lassen.

Damit hat die Mission gleich drei unbekannte Faktoren. Die erste Frage ist, ob sich die Liga mit ihrem Auftrag nicht missbrauchen lässt - für einen vom Regime dringend benötigten Zeitgewinn.

Die zweite Frage ist, ob die Opposition im Dialog mit dem Regime kompromissbereit ist und wie ein solcher Kompromiss überhaupt aussehen könnte. Denn mit einem abgesetzten Regime Assad und einer fortbestehenden allgegenwärtigen Macht der Sicherheitsapparate wäre wenig gewonnen.

Entscheidend aber ist, ob vom Regime Assads tatsächlich erwartet werden kann, dass es die Repressionen einstellt und friedliche Demonstrationen zulässt, die ihm womöglich den Todesstoß versetzen. Denn lässt sich das Regime auf die Vorschläge der Initiative ein, unterschreibt es de facto sein Todesurteil. Ergo darf erwartet werden, dass es tief in die Trickkiste greift, um das zu verhindern.

Am Ende wird aber nicht alles von den arabischen Beobachtern abhängen, sondern auch davon, wieweit es der syrischen Opposition gelingt, den Druck von innen zu erhöhen. Die einzige Option für sie ist, das Kräftegleichgewicht in ihrem Sinne zu verändern. Und das bedeutet viel Arbeit: Sie muss die vielen Minderheiten des Landes überzeugen, dass sie nach dem Sturz Assads nicht - so wie vom Regime propagandistisch prophezeit - einer islamistisch-sunnitischen Dominanz entgegensehen.

Und sie muss die Zweifel der syrischen Mittelklasse ausräumen, die jahrelang vom Regime profitiert hat und die fürchtet, in einer Post-Assad-Zeit ein Chaos à la Irak zu erleben. Erst dann wird der Aufstand die beiden entscheidenden Städte Damaskus und Aleppo erreichen. Dann wären die Tage des Regimes Assad mit oder ohne Arabische Liga gezählt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.