Sexueller Missbrauch in Niederlande: Bischöfe beschämt über Missbrauch

Ein Aufschrei des Entsetzens geht durch die Niederlande: Zehntausende Kinder und Jugendliche wurden in der Katholischen Kirche sexuell missbraucht.

Entsetzt und beschämt: Erzbischof von Utrecht Wim Eijk. Bild: dapd

ARNHEIM taz | Die niederländischen Bischöfe sind "geschockt" über das Verhalten der Täter und "tief beschämt über die Momente" in denen Verantwortliche der Kirche "nicht die richtigen Massnahmen getroffen haben, um das Leid zu stoppen."

Das steht in einer aktuellen Briefbotschaft der Bischöfe über sexuellen Missbrauch an Kinder und Jugendliche in der römisch-katholischen Kirche. Den katholischen Gläubigen wird diese Botschaft an diesem Wochenende bei ihrem Kirchgang überbracht.

Der Erzbischof von Utrecht, Wim Eijk, erklärte "es erfüllt uns mit Scham", er sei "tief berührt". Die katholische Kirche habe eine deutliche, strenge, sexuelle Moral, man könne erwarten, dass sich die Institution selbst an diese Moral halten würde, sagte er in einem TV-Interview.

Mehrere zehntausend Kinder und Jugendliche

Sexueller Missbrauch an Kinder und Jugendlichen war verbreiteter, als Niederländer es befürchtet hatten. Schätzungsweise zehn- bis zwanzigtausend Minderjährige, die einen Teil ihrer Jugend in römisch-katholischen Einrichtungen verbracht haben, wurden von 1945 bis 1981 in jenen Einrichtungen sexuell missbraucht. Das steht in einem Untersuchungsbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde.

Insgesamt wurden von 1945 bis 2010 mehrere Zehntausende Kinder und Jugendliche in der Katholischen Kirche sexuell missbraucht, sie hatten mit leichten bis schweren Grenzüberschreitungen zu tun. Etwa 1.000 Minderjährige wurden vergewaltigt. In einem Internat war das Risiko, missbraucht zu werden, zweimal so hoch wie im landesweiten Durchschnitt. Zu diesen Erkenntnissen kommt die Kommission Deetman, die im Auftrag der katholischen Bischöfe Missbrauchsvorwürfe innerhalb der Katholischen Kirche untersucht hat.

Die Nachforschungen waren intensiv und sie haben eineinhalb Jahre gedauert. Gut 2.000 Meldungen hat die Kommission empfangen, 1795 wiesen auf sexuellen Missbrauch von Minderjährigen hin. 800 Täter konnten identifiziert werden, mindestens 105 Täter sind noch am Leben.

"Man wusste es, wollte es lösen, aber das ist nicht geglückt"

Die Kirchenleitung wusste, dass Priester und andere Geistliche sich an ihren Schutzbefohlenen vergriffen, ist eine weitere bedeutende Erkenntnis. Wim Deetman, der Vorsitzende der Kommission, sagte bei der Veröffentlichung: "Man wusste es, wollte es lösen, aber das ist nicht geglückt."

"Wir haben es nicht gewusst" - diese Behauptung, die beispielsweise der ehemalige Kardinal Simonis öffentlich geäußert hatte, kann nicht aufrecht gehalten werden. In den kirchlichen Archiven waren viele Informationen zu finden über grenzüberschreitendes sexuelles Verhalten von Priestern und Religiösen, steht im Bericht. Es sind Versuche unternommen worden, die Unzucht in den Griff zu bekommen, von Unwissenheit kann nicht die Rede sein.

Bedeutend ist ferner, dass sexueller Missbrauch nicht nur in der Katholischen Kirche vorkam. Ungewünschte sexuelle Annäherung bis Übergriffe waren weit verbreitet in der Gesellschaft. Fast jeder zehnte Minderjährige wurde von einem erwachsenen Nichtfamilienmitglied missbraucht. Auch herrschte eine Kultur des Schweigens vor. Meldeten jugendliche Opfer, sie seien missbraucht worden, wurden sie oft nicht ernst genommen. Sie müssten schweigen, bekamen sie zu hören.

Die Vertretung der Opfer, KLOOK, kommentierte die Veröffentlichung mit den Worten: die Ergebnisse seien "schockierender als erwartet, weil Art und Umfang des Missbrauchs sehr umfangreich sind. Die Machtausübung in den Internaten und Schulen hat nicht allein zu einer Entgleisung in Form von extremer körperlicher Gewalt, psychischem Druck und Einschüchterung geführt, sondern in vielen Fällen auch zu schwerem sexuellem Missbrauch."

Der stellvertretende Ministerpräsident der Niederlande, Maxime Verhagen, er gehört der christlichen Partei CDA an, sagte im Radio: "Ich bin kein Bischof, aber wenn ich hierfür verantwortlich wäre, würde ich zu mir selbst sagen: Bin ich wohl der richtige Mann am richtigen Platz. Die Antwort würde Nein sein. Ich würde es nicht verkraften, dies zugelassen zu haben."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.