Kommentar Volksentscheid "Stuttgart 21": Unfaire Abstimmung

Am Sonntag findet ein Volksentscheid über das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 statt. Doch das Verfahren ist unfair – das liegt am Quorum.

"Die Bürgerinnen und Bürger sollen entscheiden." Das haben Grüne und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen. Am Sonntag findet nun ein Volksentscheid über das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 statt. Doch das Abstimmungsverfahren ist unfair. Die Befürworter des Ausstiegs haben keine Chance, sich im Volksentscheid wirksam durchzusetzen.

Zur Abstimmung steht ein Gesetz, das die Landesregierung zum Ausstieg aus Stuttgart 21 verpflichtet, das sogenannte Kündigungsgesetz. Damit es in Kraft tritt, müssen beim Volksentscheid zwei Hürden übersprungen werden. Erstens müssen die Befürworter des Ausstiegs mehr Stimmen bekommen als die Gegner. Das ist selbstverständlich.

Zusätzlich gibt es aber noch ein sogenanntes Quorum; danach muss auch ein Drittel aller Stimmberechtigten für das Ausstiegsgesetz stimmen. Was das in der Praxis bedeutet, lässt sich leicht errechnen. Bei einer realistischen Stimmbeteiligung von 40 Prozent müssten mehr als 82,5 Prozent der abgegebenen Stimmen für den Ausstieg votieren – nur dann ist das Gesetz beschlossen.

Das ist eine eklatante und offensichtliche Benachteiligung. Denn die Befürworter des Bahnhofs können in diesem realistischen Szenario schon mit zwanzig Prozent der Stimmen ihr Ziel erreichen, den Weiterbau von Stuttgart 21.

Wenn die Ausstiegsbefürworter den Volksentscheid deutlich gewinnen, dieser aber wegen des hohen Quorums unwirksam bleibt, können SPD und Grüne nicht einfach sagen: "Pech gehabt." So wird die versprochene Befriedung des Konflikts durch eine Volksabstimmung sicher nicht erreicht. Die SPD sollte dann über ihren Schatten springen und das Ausstiegsgesetz mit den Grünen im Landtag beschließen. Wer den Bürgern die Entscheidung überlässt, muss auch auf sie hören.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.