„Überflüssige Schikane“

KUNDGEBUNG Aktivisten kämpfen gegen Jobcenter-Schikane – und bieten Begleitung zu Terminen an

■ 59, hat den Bremer Erwerbslosenverband mitgegründet und war früher bei der AG Weser.

taz: Herr Thomsen, sie bieten Leuten an, sie zum Jobcenter-Termin zu begleiten. Ist es so schlimm, dort allein hinzugehen?

Herbert Thomsen: Das Jobcenter ist eine Repressionsbehörde. Es gibt einen hohen Druck, in Leiharbeit und niedrig bezahlte Jobs einzusteigen – immer unter Androhung einer Sanktion. Viele Menschen halten das nicht mehr aus. Alle haben das Recht, einen Beistand mitzunehmen, das kann jeder normale Bürger machen.

Aber die Gesetze ändert das noch nicht.

Die Erfahrung zeigt: Wenn man nicht allein auftaucht, wird der Umgangston netter und der Druck lässt nach.

Es geht um ein bessere Gefühl?

Nicht nur. Auch die überflüssige Schikane wird weniger. Die Vorgabe für die Sachbearbeiter ist es, die „Fallzahlen“ zu senken, obwohl es nicht mehr Jobs gibt. Diesen Druck geben sie nach unten weiter – dafür nutzen sie alle legalen und halblegalen Mittel.

Sie werfen dem Jobcenter vor, das Gesetz nicht zu achten?

Ja, das kommt vor. Bei Umzügen wird gesagt, man bräuchte dazu die Zustimmung des Jobcenters – das ist Blödsinn. Jüngeren 400-Euro-Jobbern wird erzählt, sie müssten damit aufhören und als Leiharbeiter anfangen. Auch das ist Blödsinn. Bei Heiz- und Betriebskosten-Nachzahlungen wird gesagt, sie müssten nicht zahlen, obwohl sie die in 90 Prozent der Fälle übernehmen müssen. Ein Einzelner ist überfordert, sowas mit dem Sachbearbeiter zu diskutieren.

Aber, dort arbeiten ja nicht nur böse Menschen.

Es geht nicht um gut oder böse. Die Sachbearbeiter machen ihren Job. In Bremen etwa wurden 46 Sachbearbeiter für eine „Joboffensive“ eingestellt, um Hartz-IV-Empfänger mindestens 14-tägig zum Gespräch einzuladen. Es ist eine Druck-Offensive, denn die Jobs werden ja nicht auf einmal mehr, sondern höchstens schlechter bezahlt.  Interview:JPB

Kundgebung: Ab 8 Uhr vor dem Jobcenter Mitte, Doventorsteinweg