Bayern-SPD und Freie Wähler: Eine inszenierte Landpartie

Kälber streicheln und Schnittmengen finden: Christian Ude (SPD) trifft seinen potenziellen Koalitionspartner, den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.

Praktische Fortbildung: Ude besucht Aiwangers Bauernhof. Bild: dpa

RAHSTORF taz | Am Vormittag fand Hubert Aiwanger noch markige Worte gegen den Münchner Oberbürgermeister. "Wenn ich nicht so tierlieb wäre, würde ich den Ude so lange im Kälberstall einsperren, bis er sich von der Startbahn verabschiedet", rief der Vorsitzende der Freien Wähler den rund 7.000 Demonstranten zu, die am Samstag auf dem Münchner Marienplatz gegen den Bau des umstrittenen Infrastrukturprojekts am Münchner Flughafen protestierten. Mittags dann, auf Aiwangers 20 Hektar großem Bauernhof im niederbayerischen Rahstorf, stehen die Zeichen schwer auf Koalition.

Christian Ude, die selbsterklärte Großstadtpflanze, dem nach eigener Aussage jegliche Kenntnis von Ackerbau und Viehzucht fehlt, hatte bei seiner Nominierung als Spitzenkandidat der SPD für die bayerische Landtagswahl 2013 angekündigt, Aiwanger auf seinem niederbayerischen Hof besuchen zu wollen.

Man wolle politische Schnittmengen ausloten, hatte es vor dem Treffen geheißen. Zudem hatte Ude versprochen, seine Präsenz in allen Landesteilen Bayerns in den kommenden zwei Jahren zu verstärken. Der Besuch auf dem Hof des potenziellen Koalitionspartners markiert den Auftakt dieser großangelegten Landpartie - symbolträchtige Gesten inklusive.

Stolpersteine aus dem Weg räumen

Kaum ist Ude also auf Aiwangers Hof angekommen, bietet er dem Chef der Freien Wähler unvermittelt das Du an. Die Baustelle, an der Ude und Aiwanger in den nächsten zwei Jahren arbeiten werden, ist klar: Sie wollen bei der Landtagswahl 2013 einen Regierungswechsel herbeiführen. Doch das schafft keine der beiden Oppositionsparteien allein. Umfragen zufolge kann ein Sturz der CSU derzeit nur in einer Dreierkoalition mit den Grünen gelingen.

Ude beeilt sich deshalb, erste Bündnisse zu schließen. Denn im Gegensatz zu den Grünen, die er aus der gemeinsamen Arbeit im Münchner Stadtrat gut kennt, war er dem Chef der Freien Wähler bisher noch nie persönlich begegnet. "Zwei Jahre vor der Wahl kann man noch den einen oder anderen Stolperstein aus dem Weg räumen", sagt Ude zuversichtlich.

Die Inhalte sind an diesem Tag schnell abgehandelt. Beide wollen die Studiengebühren abschaffen, den ländlichen Raum mit schnellen Internetverbindungen versorgen und den bayerischen Kommunen ermöglichen, Haupt- und Mittelschulen mit Realschulen zusammenzulegen.

Nur bei einem Thema herrscht weiterhin Dissens: Beim Bau der geplanten dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Ude ist dafür, Aiwanger ist ebenso wie die Grünen dagegen - daran ändert auch das anheimelnde Treffen mit Brotzeit und Kuchen nichts. Ude betont trotzdem: "Wir sind gemeinsam der Meinung, dass daran ein Regierungswechsel in Bayern nicht scheitern muss." Und Aiwanger fügt an: "Dann heißt es in der Koalition zwei zu eins."

"Test bestanden"

Viel wichtiger als die politischen Inhalte sind an diesem Tag aber das Rahmenprogramm und die Bilder, die sich der SPD-Spitzenkandidat verspricht: Guter Dinge posiert er mit einem rosigen Ferkel, das dank der zuvor von Aiwanger erklärten Haltetechnik nur einmal kurz quiekt, streichelt gemeinsam mit Aiwanger dessen etwas scheue Kälbchen und lässt sich geduldig erklären, dass der Landwirt auf dem Feld hinter seinem Hof Senf angepflanzt hat, um den Boden vor Nitratbelastung zu schützen. "Test bestanden", lautet Aiwangers wohlwollendes Fazit.

Nach dem Hofrundgang geht es weiter ins nahe Rottenburg an der Laaber. Dort soll sich Ude ins Goldene Buch der Gemeinde eintragen. Doch während Aiwanger bereits vor dem Bürgersaal wartet, hat sich der Münchner Oberbürgermeister irgendwo auf der Strecke zwischen Pfeffenhausen und Oberhatzkofen verfahren.

Als Ude endlich eintrifft, schlägt die Uhr zur vollen Stunde. Aiwanger feixt: "Die Kirchturmglocken läuten. Das ist ja wie beim Heiraten." Die Verbindung der beiden im Kampf gegen die CSU scheint auch ohne feste Koalitionszusage Aiwangers so gut wie besiegelt.

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