Debatte Wege aus der Euro-Krise: Euro und Drachme

Es gibt einen dritten Weg aus der Krise: Die Drachme fungiert als Binnenwährung, indessen internationale Geschäfte weiter über Euros laufen.

Der Ablauf ist mittlerweile bekannt: Um Gehälter, fällige Rechnungen und den Schuldendienst zahlen zu können, benötigt der mittellose griechische Staat frische Kredite. Diese können wegen der fragwürdigen Rückzahlungsfähigkeit nur noch gegen Garantie der Euroländer bereitgestellt werden. Damit deren Risiko überschaubar bleibt, verlangen die Bürgen größtmögliche Sparanstrengungen, die eine Kommission (die "Troika") regelmäßig prüft. Teuflisch schließt sich der Kreis, weil und wenn die dramatischen Einschränkungen bei Personal und Investitionen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zum Erliegen und die Staatseinnahmen weiter nach unten bringen.

So verwundert es nicht, dass sich Euroland hin und her gerissen fühlt zwischen der Insolvenz mit sicherem Verlust und dem Schrecken ohne Ende, der unbegrenzten Alimentation Griechenlands. In Verbindung mit der Insolvenz wird zudem ein Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone diskutiert. Dieser Vorschlag dürfte wesentlich daher rühren, den bedrohlichen Fall aus der Eurowelt zu schaffen. Doch weist er einen attraktiven Aspekt auf: Der Staat wäre wieder Souverän über seine Währung und könnte seinen inländischen Verpflichtungen quasi "aus der Notenpresse" nachkommen.

Rapide abstürzende Wechselkurse

Ein zweiter Blick offenbarte jedoch schnell verhängnisvolle Fallen, wie man sie aus Ländern mit weichen Währungen kennt: Inflationsgefahren durch eine aufgeblähte Geldmenge und einen vermutlich rapide abstürzenden Wechselkurs, fehlendes Interesse ausländischer Investoren, ungeregelte und undurchsichtige Eurobewegungen im Lande, Flucht der verbliebenen Eurokapitalien ins Ausland (wie hoch mögen die bereits transferierten Euroguthaben sein?); nur die Devisenspekulanten und die Schwarzmärkte würden aufblühen, Europa erlitte einen unübersehbaren Vertrauensverlust nach innen und außen.

Dabei wird eine nahe liegende Lösung kaum bis gar nicht behandelt: Die Beibehaltung des Euro als Leitwährung und (!) die (Wieder-)Einführung der Drachme, nun aber als nicht konvertible Zweitwährung. Auf lokaler Ebene ist dieser dualistische Ansatz schon auf einen Hirtenweg gebracht worden. Die unter www.ovolus.gr firmierende Initiative in der Hafenstadt Patras hat den "Ovolus" in die Welt gesetzt, mit dem Anbieter und Nachfrager auch ohne Besitz von Euros ins Geschäft kommen können. (vgl. Handelsblatt online vom 25. 8. 2011). Auf diese Weise kann Wirtschaften, das sinnvolle und effiziente Zusammenführen von Bedarf und dessen Deckung, auch ohne Besitz "echten" Geldes in Gang gesetzt werden.

Keiner hortet Drachmen

ist Professor für Finanz- und Rechnungswesen an der Hochschule Bremen, mit dem Forschungsschwerpunkt Nachhaltiges Wirtschaften. Zuletzt erschien von ihm: "Zukunft kann man nicht kaufen" (Horlemann).

Die Protagonisten des Ovolus und anderer Regionalwährungen sehen gerade in dem minderen Wert ihres Geldes einen entscheidenden Vorteil: Während harte Währung gerne gehortet oder in Gold umgeschmolzen wird und damit leistungsfördernde Nachfrage mindert, werden die Besitzer des Ovolus diesen möglichst bald gegen reale Güter und Dienstleistungen eintauschen wollen und so die Wirtschaft ihrer Region befördern.

Diesem Stimulus von Regionalwährungen stehen das fehlende Vertrauen und ihre geringe Reichweite gegenüber. Sie sind privater, für Außenstehende leicht obskur wirkender Herkunft, ihre Zukunft ist ungewiss und sie sind auf bestimmte Regionen und deren Leistungsangebot beschränkt. Doch erweitert auf ganz Griechenland stünde der gesamte Staat hinter der Währung, und ihre Begrenzung auf die Nation würde sich als ein Segen erweisen: Sie ermöglichte der griechischen Wirtschaft eine Erholung und Weiterentwicklung, ohne sofort und überall von der übermächtigen Konkurrenz der starken Euroländer überrollt zu werden.

Eine solche "Neue Drachme" käme als anteilige Zahlung des Staats bei Gehältern und inländischen Rechnungen auf den Markt und würde staatliche Euroguthaben für Importe und den Schuldendienst schonen. Ein Wechselkurs zum Euro mit all seinen skizzierten Problemen sollte nicht festgelegt werden, stattdessen würden individuell, je nach Verfügbarkeit und Bedarf, die Gehälter und Preise in Drachmen- und Eurokomponenten aufgeteilt werden.

Selbstverständlich würden die Euros bevorzugt, doch welcher Angestellte verzichtete schon auf die Drachmen, wenn er damit zumindest nationale Güter und Leistungen erwerben kann? Umgekehrt wird ein Verkäufer eher Drachmen akzeptieren, als dass er überhaupt kein Geschäft macht. Er wird seinerseits die Drachmen für Löhne und zum Bezug inländischer Waren verwenden. Es werden sich so lokale und sektorale Gleichgewichte zwischen Euro und Drachme bilden, die markteffizient sind und sich einer gezielten Spekulation entziehen.

Erwerb heimischer Güter

Zu Anfang wird die geringere Euroverfügbarkeit den Erwerb schicker Importwaren spürbar einschränken - so werden zweifellos die meisten Griechen ihr Auto länger fahren müssen. Dies spart aber der Volkswirtschaft Milliarden von Euro und schafft Arbeit und höhere Effizienz in den Werkstätten. Und euroteure Energie mag die Entwicklung heimischer Wind- und Solarenergieanlagen fördern. Solcher "Windschutz" eröffnet also dem nationalen Gewerbe die Chance, sein Angebot in Umfang, Preis und Qualität attraktiver zu gestalten, sodass es im Wettbewerb mit den unverändert erhältlichen Eurogütern mithalten kann.

Zusammengefasst würde das duale Konzept die Vorteile zweier scheinbar gegensätzlicher Alternativen vereinbaren, ohne deren Nachteile mit erkaufen zu müssen: Der Eurobedarf des Staats und damit die zukünftigen Kreditaufnahmen würden wesentlich vermindert, ohne die schützende wie belebende Zugehörigkeit zu Euroland zu verlieren. Und gegen eine nicht konvertible Drachme lässt sich nicht spekulieren. Qualitative Konsumeinschränkungen für alle erübrigen Entlassungen für Zehntausende und dramatische Lohneinbußen für Millionen. Das zwangsweise Ausweichen auf einheimische Güter aber eröffnet die Chance auf eine Modernisierung der Wirtschaft, bis sich die neue Drachme selbst überflüssig macht.

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