Kommentar Parlamentswahl Lettland: Russen müssen mit ins Boot

Lettland steckt immer noch tief in der Wirtschaftskrise. Das Land wird aber nur darüber hinwegkommen, wenn die Russen nicht länger ausgegrenzt werden.

Das linksgrundierte "Zentrum für Harmonie" ist der eigentliche Sieger der lettischen Parlamentswahlen. Dabei ist die Botschaft von knapp einem Drittel der Wähler eine zweifache: Zum einen ist das historisch gute Abschneiden dieses Bündnisses als unverhohlene Kritik an dem rigiden Sparkurs der konservativen Regierung zu werten. Der hat das Land zwar vor einem Wirtschaftskollaps bewahrt, dafür aber weite Kreise der Bevölkerung an den Rand des Existenzminimums gebracht. Zum anderen zeigt dieses Votum für einen Parteienbund, der sich vor allem als Interessenvertreter der russischen Minderheit versteht, wie tief gespalten die lettische Gesellschaft immer noch ist.

Die ersten Jahre nach der Unabhängigkeit 1991 waren geprägt von offener Feindseligkeit. Nicht zuletzt die hohen Hürden für eine Einbürgerung in Form von Sprach- und Geschichtstests empfand ein Großteil der Russen als Rache an den "ehemaligen Besatzern". Auch 20 Jahre später kann von einer gelungenen Integration keine Rede sein. Viele Russen sind nach wie vor keine lettischen Staatsbürger und nicht in der neuen Heimat angekommen.

Dass dies kein Zustand von Dauer sein kann, müsste auch den Politikern klar sein, die sich kategorisch bislang jeder Zusammenarbeit verweigert haben. Auch wenn Berührungsängste mit der "fünften Kolonne Moskaus" nachvollziehbar sind: Um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, Korruption effektiv zu bekämpfen und die Gesellschaft zukunftsfähig zu machen, braucht es eine breite Legitimationsgrundlage.

ist Osteuropa-Expertin im Auslands-Ressort der taz.

Diese kann aber nur dann entstehen, wenn man die Russen nicht länger ausgrenzt, sondern sie mit ins Boot holt. Der Versuch kann scheitern. Doch ein positives Signal an Lettlands europäische Partner in Sachen eines demokratischen Umgangs mit Minderheiten wäre er allemal.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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