Umstrittene Wahlwerbung: NPD-Plakate bleiben hängen

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg scheitert mit Antrag, NPD-Plakate abhängen zu lassen. Staatsanwaltschaft hat noch nicht entschieden, ob "GAS geben" strafbar ist.

Verfremdetes NPD-Plakat Bild: dpa

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist vor dem Berliner Verwaltungsgericht mit dem Versuch gescheitert, Wahlplakate der NPD abhängen zu lassen. Es hatte die rechtsextremen Partei per Unterlassungsverfügung aufgefordert, die Plakate mit den Motiven "Guten Heimflug" und "GAS geben" zu entfernen. Die NPD sah darin einen Angriff auf "freie und gleiche Wahlen" und hat einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsbericht beantragt. Mit Erfolg: Ihrem Antrag wurde stattgegeben. Die endgültige gerichtliche Entscheidung, die grundsätzliche Bedeutung haben könnte, steht aus, wird aber deutlich nach dem Wahltag getroffen werden.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) sagte der taz, bei beiden Plakaten handle es sich nach Überzeugung des Bezirksamtes um Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Die Bebilderung des Plakates "Guten Heimflug" erwecke Erinnerungen an entwürdigende Darstellungen von jüdischen Mitbürgern im Dritten Reich. Das Plakat "GAS geben" würde "den unter Einsatz von Gas begangenen Massenmord in den Vermichtungslagern in den Jahren des Dritten Reiches zumindest verharmlosen".

Dem folgte das Gericht nicht. "Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die NPD mit der Plakataufschrift "GAS geben!" durchaus bezweckt haben könne, Assoziationen zu nationalsozialistischen Gräueltaten zu wecken." Sie sei aber mehrdeutig.

Zahlreiche Bürger und Vereine hatten gegen diese Plakatmotive auch Strafanzeige gestellt. Die Staatsanwaltschaft ist jedoch der Meinung, dass das Plakat "Guten Heimflug" nicht strafbar ist und hat die Verfahren eingestellt. Sprecher Martin Steltner: "In politischen Auseinandersetzungen darf man zugespitzt formulieren. Somit ist es noch durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt." Zu den Strafanzeigen gegen das Plakat "GAS geben" lag zu Redaktionsschluss noch keine Entscheidung vor.

Stefan Gelbhaar, Rechtsanwalt und Kandidat der Grünen für das Abgeordnetenhaus, hat in seiner Kanzlei ein Gutachten zu dem Plakat "GAS geben" erstellen lassen.Mit einer anderen Begründung als das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg kommt er auch zu der Erkenntnis, dass es abzuhängen ist. "Die Plakate der NPD wollen provozieren. Das Plakat "GAS geben" geht dabei über das erträgliche Maß hinaus. Der Betrachter wird auf eine widerliche Art an den Holocaust erinnert", sagt er der taz. Das Kurzgutachten werde er allen bezirklichen Ordnungsämtern zur Verfügung stellen. "In Berlin leben viele Hinterbliebene des Naziregimes. Darum verstößt das Plakat gegen die öffentliche Ordnung", fährt er fort. "Wir haben natürlich auch geprüft, ob eine andere Deutung gewollt ist. Dafür gibt das NPD-Programm aber nichts her." Dort gebe es keine Forderungen, etwa mehr Tempo-70-Zonen einzurichten. Auch die vor der NPD selbst getätigte Äußerung, sie ziele auf eine Beschleunigung von Verwaltungsabläufen hält Gelbhaar für eine "reine Schutzbehauptung".

So weit will Ulrich Battis, Verwaltungsrechtler an der Humboldt-Uni nicht gehen. "Aber vor sensiblen Orten wie dem Jüdischen Museum und der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz halte ich ich das für unzumutbar". Battis denkt vor allem an Besucher, deren Vorfahren in der Shoah umgebracht wurden. "Darum sind die Plakate dort eine Störung der öffentlichen Ordnung."

Unterdessen scheint die NPD iIn Köpenicker der Aufforderung nachgekommen zu sein, ihre Wahlplakate von Privatstraßen in der Wohnanlage der Wohnungsbaugenossenschaft Wendenschloss abzuhängen. Das sagt der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber der taz. "Anwohner hatten sich bei der Genossenschaft beschwert. Somit hat die Genossenschaft der NPD eine Frist zum Abhängen ihrer gut zehn Plakate bis gestern gestellt. Sie waren rechtzeitig verschwunden." Anders als im öffentlichen Straßenland muss in Privatstraßen eine Plakatierung nicht hingenommen werden. In Charlottenburg-Wilmersdorf hatte das Ordnungsamt 36 NPD-Plakate am Spandauer Damm entfernt. Das Bezirksamt wird die Arbeit der rechtsextremen Partei in Rechnung stellen.

NPD-Wahlplakate sind in Berlin sehr unterschiedlich verteilt. In Treptow-Köpenick, wo die NPD ihre Parteizentrale und ihre Hochburgen hat, stammt nach Angaben des SPD-Politikers Schreiber jedes zweite der 20.000 Wahlplakate von den Rechtsextremisten. In Lichtenberg sieht es in Hauptverkehrsstraßen fast ähnlich aus. Hingegen wurden in Hellersdorf, Tiergarten-Süd und Teilen von Mitte kaum solche Plakate gesehen. In Teilen von Neukölln sind viele NPD-Plakate über Nacht wieder verschwunden.

Am mittwoch hat die NPD Ort und Zeit ihrer abschließenden Wahlkundgebung "Sicherheit durch Recht und Ordnung" bekannt gegeben. Sie wird am kommenden Sonntag um 12 Uhr in ihrer Hochburg Schöneweide stattfinden. Reden wird unter anderem Parteichef Udo Voigt. Über Gegenveranstaltungen ist noch nicht entschieden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.