Proteste in Syrien: Trotz Öl-Embargo bleibt Assad hart

Besonders Frankreich prescht nun mit Überlegungen vor, über die bisherigen Wirtschaftssanktionen der EU hinauszugehen. Derweil setzt das Assad-Regime seine Razzien in Protesthochburgen fort.

Syriens Außenminister Walid al-Moualem (m., l.) bei einem Treffen mit Jakob Kellenberger (m., r.), dem Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes, in Damaskus am Sonntag. Bild: reuters

BEIRUT dapd | Ungeachtet eines Öl-Embargos und neuer Sanktionsdrohungen der EU ist das syrische Regime am Sonntag weiter hart gegen Dissidenten vorgegangen. Aktivisten berichteten von Militäraktionen und Massenfestnahmen in Idlib nahe der türkischen Grenze und in der ostsyrischen Stadt Deir el Sur, bei denen es auch Tote gegeben habe. Die Zahl der Opfer war zunächst unklar.

Während die EU nach der Verhängung eines Öl-Embargos Syrien mit einer weiteren Verschärfung der Sanktionen drohte, reiste der Chef des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC), Jakob Kellenberger, nach Damaskus, wo er am Montag mit Präsident Baschar Assad unter anderem über den Zugang zu Häftlingen und Verletzten sprechen will. Am Sonntag traf er bereits mit Außenminister Walid Muallem zusammen.

EU erhöht Druck auf Syrien

Die EU hatte zuvor ihren Ton gegenüber Damaskus weiter verschärft. "Wenn Baschir Assad nicht reagiert, wenn sich das Regime nicht ändert, müssen wir den Druck auf Syrien verstärken", sagte der französische Außenminister Alain Juppé nach einem Treffen der EU-Ressortchefs am Samstag im polnischen Seebad Sopot.

Der Franzose deutete sogar die Bereitschaft an, über Wirtschaftssanktionen hinauszugehen: Zwar sei Syrien nicht Libyen. "Aber wir müssen konsequent sein, gegenüber uns selbst und gegenüber der Staatengemeinschaft. Die EU, in jedem Fall Frankreich, sollte ihre Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung gegen die Gewalt von Diktatoren erfüllen." Paris war bereits die treibende Kraft hinter den NATO-Angriffen auf die Truppen des bisherigen libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, die EU werde sich bei den Vereinten Nationen für ein schärferes Vorgehen gegen Damaskus einsetzen. Allerdings sei für einige UN-Partner außerhalb der EU wichtig, dass es in Syrien nicht auf einen weiteren Militäreinsatz hinauslaufe. Zudem müsse man sehen, ob das am Freitag beschlossene Öl-Embargo der EU Wirkung zeige. Schließlich werde dadurch "eine der wichtigsten Geldquellen des Assad-Regimes ausgetrocknet". Vollständig tritt das Embargo allerdings erst am 15. November in Kraft. Bis dahin dürfen Altverträge noch bedient werden.

Auch Investitionsstopp im Gespräch

In der EU hat bereits die Diskussion über die nächsten europäischen Schritte begonnen. Im Gespräch ist ein umfassender Investitionsstopp. Es gehe darum, "die wirtschaftlichen Muskeln der EU einzusetzen", sagte Chefdiplomatin Catherine Ashton in Sopot. "Das, was wir tun, muss den größtmöglichen Effekt haben."

Razzien gegen Regierungsgegner in mehreren Hochburgen der Proteste wurden am Sonntag jedoch fortgesetzt, mehrere Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Erst am Freitag waren nach Angaben von syrischen Aktivisten in einem Vorort von Damaskus 13 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden. Am Samstag töteten Soldaten nach Angaben von Aktivisten auf der Suche nach einem ranghohen Überläufer im Norden des Landes zwei Menschen. Der Generalstaatsanwalt der Provinz Hama, Adnan Bakkur, hatte am Mittwoch aus Protest gegen die Niederschlagung der Protestbewegung seinen Rücktritt bekannt gegeben.

Die amtliche syrische Nachrichtenagentur vermeldete am Sonntag auch Tote auf Regierungsseite. Bei einem Hinterhalt im Zentrum des Landes seien sechs Soldaten und drei Zivilisten von bewaffneten Gruppen getötet worden, hieß es.

Weiter Entwicklungshilfe aus Deutschland

Syrien erhält trotz Sanktionen Entwicklungshilfe aus Deutschland. Die Zusammenarbeit sei zwar seit Mai weitgehend suspendiert, berichtete die Süddeutsche Zeitung vorab. Sechs Projekte im Umfang von 5,08 Millionen Euro liefen aber weiter, habe eine Sprecherin des Bundesentwicklungshilfeministeriums bestätigt.

Das Ministerium erklärte, bei den noch laufenden Projekten handele es sich um Ausnahmen, die palästinensischen und irakischen Flüchtlingen oder direkt der syrischen Bevölkerung zugutekämen. Mit der syrischen Regierung gebe es hingegen keine Zusammenarbeit mehr.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ute Koczy, nannte die Kooperation in dem Blatt äußerst heikel. Wegen der katastrophalen Menschenrechtssituation dürfe man dem Regime keine Möglichkeit mehr geben, sich in irgendeiner Weise zu profilieren.

Unions-Fraktionsvize Christian Ruck (CSU) verteidigte dagegen das Engagement. "Wir wollen die Menschen nicht im Stich lassen", sagte er.

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