Ausflug ins Endlager: Verschwitzte Feinrippunterwäsche

Bei einer Befahrung des Atommülllagers Schacht Konrad lässt sich allerlei Wissenswertes über die anspruchsvolle Unterbringung strahlender Abfälle erfahren - allerdings nicht unter, sondern über der Erde.

Vertrauen stellt sich nicht ein: Unter 1.000 Metern niedersächsischer Erde schlummert die strahlende Fässer. Bild: BETTINA MARIA BROSOWSKY

BRAUNSCHWEIG taz | Schacht heißt sinnigerweise der nette Herr vom Bundesamt für Strahlenschutz, der am Morgen die Besuchergruppe in Empfang nimmt. Neben "Info Konrad", der Informationsstelle, liegen ein kleines Kaufhaus und die lokale Gewerkschaftszentrale. Drinnen liefern übersichtliche Grafiken an den Wänden und zwei Modelle der geplanten oberirdischen Verladehallen des Atomabfall-Lagers einen sachlichen Auftritt, ein bisschen wie in einer Verbraucherberatung.

Harmlos aber ist die Thematik, um die es hier geht, nicht: 303.000 Kubikmeter schwach bis mittel radioaktiver Abfall sollen ab 2019 in Schacht Konrad, Deutschlands erstem und bislang einzigem nach den Sicherheitsauflagen des Atomrechts genehmigten Endlager, eingelagert werden.

Vor der Fahrt unter Tage trägt der freundliche Herr Schacht, eigentlich übrigens Maschinenbauer, umfassendes Faktenmaterial vor: dass es sich bei der Lagerstätte um ein ehemaliges Erzbergwerk mit stabiler geologischer Formation handele, dass die Endlagerungskammern mit Fräsen, den Teilschnittmaschinen, das sogenannte Gebirge schonend, vollkommen neu errichtet würden und rund 400 Meter wasserundurchlässige Tonschichten für einen trockenen Zustand der Anlage in rund 1.000 Metern Tiefe sorgten. Auch erläutert er die verschiedenen Arten der Konditionierung, also der Behandlung des radioaktiven Abfalls, und dessen anschließende Verpackung in Behälter aus Schwerbeton, Gusswerkstoffen oder Stahl.

Diese, sagt Herr Schacht, würden zu größeren Containern zusammengestellt, alles werde vorher exakt inventarisiert, der Zwischenraum schließlich ausbetoniert. Diese Abfallgebinde, trotz allen technischen Aufwands nicht ohne Abstrahlung, bringe man in die Tiefe zu ihren Endlagerungskammern: 17 Stück pro Schicht, rund 4.000 im Jahr - und auch deren Hohlräume mit Beton verfüllt und mit massiven Abschlüssen versehen.

"Nicht rückholbare Endlagerung" heißt dieses Verfahren, und in der Theorie ist das alles ingenieurtechnisch zu bewerkstelligen, scheint die zivile Nutzung in ihren Nachlässen machbar. Gäbe es da nicht die Asse, nur ein paar Kilometer von Salzgitter entfernt, im Landkreis Wolfenbüttel. Sie ist der Endlager-GAU, auf den auch Herrn Schacht ungefragt immer wieder zu sprechen kommt - denn dort sei eigentlich alles schief gelaufen.

Was die Politik jahrelang als Forschungsbergwerk verkauft habe, sei zu einem Endlager geworden. Jedoch sei nichts sorgfältig inventarisiert worden, habe man Fässer vielmehr "wie die Salzheringe" abgekippt und mit Salz verschlossen. Die geologische Instabilität des Salzstocks und der Wassereinbruch von 12.000 Litern pro Tag lassen wohl nur eine verantwortbare Option zu: die Rückholung des Materials aus der Asse - Kosten rund 3,4 Milliarden Euro, anschließender Verbleib ungeklärt.

Aber zurück nach Salzgitter: Zur Fahrt unter Tage geht es zum Schacht I nach Bleckenstedt. Alle Anwesenden bekommen einen roten Overall, feste Schuhe, Socken - und Herrenunterwäsche, Feinripp, bei über 30 Grad in 1.000 Meter Tiefe wird alles verschwitzt. Dann gibt es noch Kopfhörer, ein "Geleucht" sowie einen schweren Sauerstoff-Selbstretter für den Brandfall. Ein kurzes "Glück auf!" und der Fahrkorb rauscht mit zwölf Metern pro Sekunde in die Tiefe.

Unten ist es unspektakulär: Per Auto geht es durch mehrere Wettertore, vorbei an Spezialfahrzeugen, Werkstätten, Materiallagern zu dem projektierten ersten Einlagerungsfeld unter Schacht II. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, was hier unten passieren soll, Vertrauen stellt sich nicht ein. Zum Schichtwechsel um 13 Uhr geht es mit der Belegschaft wieder hinauf, mehr als 60 Bergleute und Techniker arbeiten in drei Sieben-Stunden-Schichten regulär unter Tage.

Übrigens: Nicht nur der Verbleib der Asse-Abfälle ist ungeklärt. Es gibt bislang weltweit kein Endlager für den sogenannten wärmeentwickelnden, hoch radioaktiven Abfall. Also der Castoren aus den Wiederaufbereitungsanlagen in Frankreich und England, die Deutschland vertragsgemäß zurücknehmen muss. "Hier hat die Bundesrepublik ein Problem", sagt Herr Schacht. Der mit Vornamen übrigens Günther heißt, nicht Konrad.

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