Satellitenfotos vom Sudan: Massaker vor den Augen der UN

Sudans Armee werden Massaker in der Stadt Kadugli vorgeworfen. Das geht aus Satellitenfotos von mutmaßlichen Massengräbern und einem unveröffentlichten UN-Bericht hervor.

Darum geht's: Die drei dunklen Flecken sind vermutlich Massengräber. Bild: ENOUGH project

BERLIN taz | Es sind drei längliche Flecken auf einem verschwommenen Satellitenfoto. Hier, außerhalb der Tilo-Schule am Rand von Kadugli, Hauptstadt der sudanesischen Provinz Südkordofan, befinden sich nach Angaben des US-Projekts "Satellite Sentinel Project" (SSP) drei Massengräber.

In ihnen liegen Opfer von Massakern der sudanesischen Armee. Die Aufnahmen stammen laut SSP vom 4. Juli. Die Massaker geschahen nach Augenzeugenberichten am 8. Juni, zum Höhepunkt des sudanesischen Armeefeldzugs gegen mutmaßliche Rebellen und Angehörige des Nuba-Volks in dem zentralsudanesischen Bundesstaat kurz vor der Unabhängigkeit des benachbarten Südsudan.

Mehrere unabhängige Augenzeugenberichte bestätigen laut SSP, was dieses und andere Fotos beweisen: Sudans Armee rückte am 8. Juni in Militärfahrzeugen mit aufmontierten Maschinengewehren in Tilo ein und begann, die Bevölkerung zu töten. Viele Menschen verbrannten in ihren angezündeten Häusern. Weniger als einen Kilometer südlich der Oberschule, ein ehemaliger Militärstützpunkt, hob am gleichen Tag ein gelber Bagger Gruben aus.

Am Abend seien Soldaten, Milizionäre, Personen in Häftlingskleidung und Personen in der Kleidung des sudanesischen Roten Halbmonds auf großen grünen Lastwagen zu den Gruben gefahren und hätten begonnen, Leichen abzuladen und in die Gruben zu werfen. "Die drei ausgehobenen Gebiete, die die Bildanalyse unabhängig von Augenzeugenberichten nachweist, bestätigen die Anschuldigungen zweier Augenzeugen von zwei mutmaßlichen Massengräbern südlich der Tilo-Schule", führt SSP aus. Ein Augenzeuge schätzt, mindestens 100 Leichen seien dort verscharrt worden.

Sudans Armee hatte am 5. Juni mit Militäroperationen in Südkordofan begonnen, offiziell um Elemente der im Südsudan herrschenden SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) zu entwaffnen. Schwere Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung in der Provinzhauptstadt Kadugli setzten am 6. Juni ein; am 8. Juni begannen Luftangriffe in den nahegelegenen Nuba-Bergen, deren Bewohner während des Südsudankriegs aufseiten der SPLA kämpften. Hunderte von Menschen starben, mindestens 73.000 flohen nach Südsudan.

Das US-Projekt SSP, gegründet und finanziert von US-Prominenten wie George Clooney, wertet Erdaufnahmen kommerzieller Satelliten systematisch auf Hinweise nach Menschenrechtsverletzungen aus. Auf den jetzt veröffentlichten Fotos finden sich nicht nur mutmaßliche Massengräber, sondern auch mutmaßliche Stapel weißer Leichensäcke direkt neben dem von Sudans Armee requirierten Gästehaus der Episkopalischen Kirche in Kadugli.

Was wussten die Blauhelme?

Schwer zu glauben, dass die in Kadugli stationierten UN-Soldaten von all dem nichts mitbekamen. Schon zu Beginn der Kämpfe wurden berichtet, die teils ägyptischen Truppen der UN-Mission im Sudan (Unmis) hätten zum Schutz der Zivilbevölkerung auch dann nicht eingriffen, als sich rund 10.000 Menschen vor der UN-Basis versammelten und auf Einlass hofften.

Ein unveröffentlichter Bericht der Unmis-Menschenrechtsabteilung, der im UN-Hauptquartier in New York zirkuliert und von dem die US-Organisation "Enough" Auszüge veröffentlicht hat, bestätigt nun die verbreitete Kritik. Der Bericht listet mehrere Verbrechen der sudanesischen Truppen in Kadugli am 8. Juni auf: Ein SPLA-Aktivist wird auf offener Straße erschossen. Sudanesische Reservepolizisten dringen bewaffnet in die UN-Basis ein und verschleppen drei Menschen. Ein Unmis-Subunternehmer wird von Armeesoldaten aus seinem Auto geholt und um die Ecke geschleppt; Schüsse fallen, später wird seine Leiche gefunden. Ein kurzzeitig verschleppter Unmis-Mitarbeiter berichtet außerdem laut dem UN-Bericht nach seiner Freilassung, er habe über 150 Nuba-Leichen auf dem Militärgelände herumliegen sehen, wo er festgehalten wurde.

"Die Angriffe auf Unmis sind so verbreitet, dass eine Verurteilung nicht ausreicht", schlussfolgert der Bericht. Stattdessen wird die UNO Kadugli verlassen. Das Unmis-Mandat ist mit Südsudans Unabhängigkeit erloschen, aus Nordsudan zieht die Mission bis Ende August ab. Die Lage in Südkordofan beruhigt sich derweil nicht. Nuba-Kämpfer reklamieren die Kontrolle der gesamten südlichen und westlichen Nuba-Berge.

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