Perspektiven des Frauenfußballs: Vernebelter Blick auf die Realität

Die DFB-Auswahl ist draußen, aber wie geht es weiter? Noch fehlt es dem Frauenfußball an soliden strukturellen Grundlagen. Sechs Thesen zu dem, was falsch läuft.

Bundesligaalltag: Anja Mittag von Turbine Potsdam Bild: dpa

Keine Heizung für Frauen!

Fußball wird in Deutschland das ganze Jahr gespielt – dank Rasenheizungen. Das gilt indes nur für den Männerbereich. Frauenfußball in Deutschland ist noch lange keine Ganzjahressportart.

Maren Meinert, die Trainerin des deutschen U-20-Weltmeisterteams, erlebt Jahr für Jahr ähnliche Szenen. Im März versammelt sie die besten Juniorinnen in Spanien zum Trainingslager. Dann hat sie es zum Teil mit Fußballerinnen zu tun, die drei Monate lang nicht mit dem Ball trainiert haben. Beim Frauenfußballkongress des DFB in vergangenen Jahr richtete sie einen Appell unter anderem an den FC Bayern München. Man solle die männlichen Profis trainieren lassen, auch noch die zweite Mannschaft, „aber dann gebt doch auch den Frauen Zeit auf dem beheizten Trainingsplatz“.

Frauenfußball? Männersache!

Nur zwei Bundesligisten werden von Frauen trainiert. Die Spielerinnen kennen das: Auch in den Klubs, in denen sie ihre ersten Versuche auf dem Feld unternehmen, sind es meist Männer, die den Übungsbetrieb leiten.

DFB-Präsident Theo Zwanziger appelliert schon lange an die Klubs, mehr Frauen in die Trainerlehrgänge zu schicken. Der DFB will, dass ehemalige Spielerinnen dem Sport erhalten bleiben. Doch gute Bundesligaspielerinnen wenden sich nach der Karriere zu oft vom Fußball ab.

Der DFB schönt die Zahlen!

„Willkommen im Land des Frauenfußballs!“ Mit diesem Satz werden die Journalisten aus aller Welt vom Organisationskomitee im Medienhandbuch für die WM begrüßt. Dann folgt die stolze Zahl: 1.058.990 Mitglieder des DFB sind Frauen. Steffi Jones, die OK-Chefin, zeigte sich am Sonntag in Dresden davon überzeugt, dass auch nach dem WM-Aus der Deutschen „die Mädchen in die Klubs strömen“ werden.

Sportwissenschaftler Hans-Jürgen Schulke hat nachgerechnet und herausgefunden, dass pro angemeldetem Männerteam 40 Mitglieder im DFB registriert sind, pro angemeldetem Frauenteam 130. Viele weibliche DFB-Mitglieder nehmen gar nicht an einem regelmäßigen Spielbetrieb teil. Jubelmeldungen über steigende Mitgliederzahlen scheinen den Blick auf die Realität vernebelt zu haben.

Zu wenige Trainerinnen!

In der Saison 2009/2010 war es geschafft. In den ersten beiden Bundesligen hatten die Trainer und Trainerinnen aller die A-Lizenz, das höchste Diplom. Maren Meinert ist heilfroh, dass die Zeiten vorbei sind, als man sich in den Vereinen dachte, dass für die Frauen auch die C-Lizenz reiche.

Immer noch fehlen etlichen Klubs der Ersten und Zweiten Liga die finanziellen Möglichkeiten, einen hauptamtlichen Coach zu beschäftigen. Sie profitieren von Geldern des DFB aus dem Topf für Spitzensportförderung. Es können auch Gelder für einzelne Trainingsmaßnahmen, etwa für den Bereich Athletik, beim DFB beantragt werden. Das werde viel zu selten genutzt, meint Maren Meinert.

Abgeschoben auf Außenplätze!

„Ich spiele gerne beim FC Bayern, die haben ein tolles Stadion.“ Lira Bajramaj hat das im Gespräch mit der taz einmal gesagt. Die Allianz-Arena hat sie nicht gemeint. Die Frauen des FC Bayern spielen im Sportpark Aschheim östlich von München. 3.000 Zuschauer haben darin Platz. Das zeltartige Dach der Haupttribüne macht den Sportpark in der Tat zu einem der sehenswerteren Stadien in den ersten beiden Bundesligen.

Weniger attraktiv ist das Sportgelände Nachtweide, auf dem Zweitligist FFC Niederkirchen seine Spiel austrägt. Auch mit den Nebenplätzen, auf denen die Reserveteams der Erstligisten ihre Zweitligaspiele austragen, ist keine Werbung für den Frauenfußball zu machen.

Frauen? Hinten anstellen?

Das Potsdamer Modell hat sich durchgesetzt. Aber erst spät: Während die Sportschule Friedrich Ludwig Jahn schon seit Mitte der 90er Jahre Fußballerinnen fördert, indem sie in Zusammenarbeit mit Turbine Potsdam Leistungssporttraining und Schulunterricht koordiniert, existieren die anderen vier vom DFB als Eliteschulen des Frauenfußballs zertifizierten Bildungseinrichtungen mit Internatbetrieb in Freiburg, Jena, Ahrweiler und Saarbrücken erst seit vier Jahren.

Die Mädchenförderung steht noch am Anfang. Ein System wie bei den Buben, für die der DFB 366 Trainingsstützpunkte unterhält, gibt es für Mädchen nicht. Die Sichtungs- und Förderarbeit liegt bei den Landesverbänden.

Die Hauptarbeit wird in den Vereinen geleistet, in denen die Frauen oft die schlechtesten Trainingszeiten abgekommen. An Zeiten zwischen 20 und 22 Uhr habe man sich mittlerweile gewöhnt, sagt Maren Meinert. „Zuerst kommt die erste Herren, dann die zweite Herren, dann die dritte, dann kommen die Junioren und, nicht zu vergessen, die Alten Herren“, weiß sie. Die bekämen immer die besten Trainingszeiten, weil in diesem Team die Klubchefs spielen. So kann der Frauenfußball auf Dauer nicht gedeihen.

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