Kreml-Kritiker in Russland: Verwirrspiel um Ausreiseverbot

Ein Gericht verbietet Boris Nemzow, sein Land zu verlassen - für sechs Montae. Dann revidiert die Behörde den Beschluss. Nemzow sieht darin einen Rachefeldzug von Putin.

Mit einem sechsmonatigen Ausreiseverbot belegt: Putin-Kritiker Boris Nemzow.

MOSKAU taz | Verwirrspiel um den russischen Oppositionellen Boris Nemzow: Am Mittwoch hatte ein russisches Gericht gegen Nemzow ein sechsmonatiges Ausreiseverbot verhängt. Die für die Durchführung zuständige Stelle bestätigte dies erst am Donnerstagnachmittag. Für komplette Konfusion sorgte dieselbe Behörde zwei Stunden später: Sie hob das Reiseverbot wieder auf. Darf er nun wirklich reisen?

Nemzow befindet sich in Straßburg, wo er an einem Demokratieforum des EU-Parlaments zur Lage im russischen Vorwahlkampf teilnahm. Am Mittwoch unterrichtete ihn sein Anwalt über den Gerichtsbeschluss. Auch gegen seinen Kollegen Wladimir Milow liegt eine gerichtliche Anordnung vor.

Der Kremlkritiker Nemzow vermutet, dass das Verwirrspiel ihn einschüchtern und zur Emigration bewegen solle. "Ich werde nach Russland zurückkehren, auch wenn sie behaupten, dass ich hierbleibe", sagte er gegenüber dem Portal grani.ru. Im Juni hatte das russische Justizministerium der liberalen Partei Parnas (Volksfreiheit, Für ein Russland ohne Willkür und Korruption), deren Mitbegründer Milow und Nemzow sind, die Zulassung verweigert. Damit nimmt an den Wahlen im Dezember keine Oppositionspartei teil, die diese Bezeichnung auch verdient.

Anlass des Ausreiseverbots war ein Formfehler. Nemzow und Milow hatten in der Broschüre "Putin. Ergebnisse. 10 Jahre", die die Verquickung von Politik und Wirtschaft aufs Korn nahm, Premier Putin und Vertraute der Korruption bezichtigt. "Alte Freunde Putins, die bis zu seiner Machtergreifung ein Nichts waren, verwandelten sich in Dollarmilliardäre". Zudem stellten sie die Vermutung an, dass die Milliardäre nominelle Eigentümer seien, der eigentliche Nutznießer Putin sei.

Der Miteigentümer der Ölhandelsfirma Gunvor Gennadi Timtschenko zog vor Gericht und verlangte eine Korrektur der Formulierung, er sei " ein Niemand bis zur Ära Putin" gewesen. Zwei Instanzen verurteilten die Autoren zu einer Richtigstellung, die die Zeitung Kommersant veröffentlichte. Allerdings entsprach die Korrektur nicht den Vorgaben des Urteils, weshalb Timtschenko erneut klagte.

Dass das Ausreiseverbot am Tag der Debatte über den Zustand der russischen Demokratie im EU-Parlament verhängt wurde, ist kein Zufall. "Ich bin sicher, dass dies die Rache von Putin für "Parnas" ist, sagte Nemzow.

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