Dresdener Datenskandal: Handygate im Bundestag

Die Linke spricht von einem "rechtswidrigen Akt". Auch die FDP will nun eine Änderung der Gesetze. Unions-Politiker hingegen verteidigten die Datenauswertung.

Demonstration im Februar: Die Datensammelwut der Behörden hat es bis in den Bundestag geschafft. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Bundestag debattierte am Freitag in einer Aktuellen Stunde über die massenhafte Ausspähung von Handyverbindungen bei den Antinaziprotesten am 19. Februar in Dresden. Während die Opposition die Datensammelwut der sächsischen Ermittler scharf kritisierte, verteidigten vor allem Vertreter der Union die Maßnahmen.

Als "klar rechtswidrigen Akt" bezeichnete Michael Leutert (Linke) die Funkzellenauswertung. So würde antifaschistisches Engagement kriminalisiert. Er hoffe, dass sich damit die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung erledigt habe.

Die SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe forderte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf, "politische Verantwortung zu übernehmen". Zwei Tage sei "halb Dresden" überwacht worden, das sei nicht verhältnismäßig, um schwerem Landfriedensbruch zu begegnen. "Jetzt ist Aufklärung nötig, weil das Grundvertrauen zwischen Staat und Bürger bröckelig geworden ist." Clemens Binniger (CDU) bezeichnete die Handyausspähung als zulässig. "Ich erinnere an die vielen verletzten Polizeibeamten", sagte er und sprach von einer "Gewaltorgie".

Gisela Piltz, Vizefraktionschefin der FDP, sagte, die Vorfälle dürften sich nicht wiederholen. Man werde jetzt prüfen, welche Konsequenzen in der Strafprozessordnung folgen müssen.

Salamitaktik der sächsischen Landesregierung

Vor zwei Wochen hatte die taz die Handyaffäre aufgedeckt. Mehr als eine Millionen Verbindungsdaten von über 300.000 Demonstranten, Anwohnern, Journalisten und Politikern wurden ermittelt und werden bis heute ausgewertet. In mindestens 45 Fällen wurden die Daten zweckentfremdet, diesen Fehler hat die Regierung jetzt eingestanden. Wegen magelhafter Informationspolitik musste bereits Dresdens Polizeichef Dieter Hanitsch seinen Posten räumen.

Bei der Aufklärung der Details verfährt die Landesregierung bisher nach der Salamitaktik - zugegeben wird nur, was ohnehin bekannt ist: am Donnerstagabend im Landtag etwa, dass auch Handys abgehört wurden. Laut Aussage von Innenminister Markus Ulbig (CDU) aber nur von zwei Verdächtigen, gegen die wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird. Auch den Einsatz eines Imsi-Catchers, eines mobilen Ortungs- und Abhörgeräts, bestätigte er.

Dieser soll aber nur zur Standortermittlung genutzt worden sein. Die Grünen werfen den Ermittlern vor, die Demo ausgespäht und nicht nur schwere Straftaten verfolgt zu haben. Mitte der Woche hatte Ulbig das Abhören von Handys noch dementiert. Am Donnerstag versuchte er erneut den Befreiungsschlag. Er wies die Verantwortung von sich und schob sie so indirekt Justizminister Jürgen Martens (FDP) zu.

Die Opposition hat gestern eine Sondersitzung des Rechtsausschusses für kommenden Freitag beantragt.

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