Kommentar Schächtungsverbot: Fleischverzicht ist konsequenter

Ich plädiere für ein gesetzliches Ja zur Gleichberechtigung der Religionen - und ein moralisches Nein zum Fleischessen. Alles andere ist Pipifax.

Holland hat jetzt das Schächten verboten. Kopftücher bei deutschen Lehrerinnen, Burkas auf französischen Straßen und Minarette in der Schweizer Landschaft sind auch schon nicht mehr erlaubt. Und so stichelt Europas Rechte weiter, immer hübsch ein symbolischer Kampf nach dem nächsten.

Er tarnt sich als "Sachfrage" und signalisiert doch allen Beteiligten klar die eigentliche Botschaft: Der Islam gehört nicht zu Europa. Und wenn, dann bitte sittsam, bescheiden und unsichtbar.

So fühlen sich die letzten verbliebenen Multikulturalisten zum x-ten Mal verpflichtet, das Schächten zu verteidigen, während Tierschützer und moderne Muslime sich schlaumachen, was die "humanere" Tötung sei.

Ja, es stimmt, streng genommen verlangen die Scharia-Regeln für das Schächten ein Besänftigen des Tiers, das den Tod und das Blut der anderen nicht sehen darf. Im Unterschied zur industriellen Fließbandschlachtung gilt bei jedem einzelnen Tier die Maxime: so sanft wie möglich.

Doch es gibt keine sanfte, "humane" Tötung von empfindungsfähigen Lebewesen, die leben wollen. Die Tiere werden von ihren Familien getrennt, in Enge transportiert und - egal ob schonend, betäubt oder nicht - ihres Lebens beraubt!

Genau darüber sollten wir streiten. Grundsätzlich. Nicht auf dieser Pipifaxebene, auf der deutsche Tierschutzvereine regelmäßig gegen das Schächten wettern und auf ihren eigenen Sommerfesten teilweise noch Würstchengrill anbieten! Und nicht so frömmelnd wie manche Muslime, die schwärmen, die Tiere bekämen doch vorher noch die "Basmallah"-Segensformel ins Ohr geflüstert.

Es ist typisch für rassistische und ausgrenzende Diskurse, dass sie andere in vermeintliche Zwickmühlen zwingen. Ich plädiere dafür, sich nicht darauf einzulassen. Stattdessen: ein gesetzliches Ja zur Gleichberechtigung der Religionen - und ein moralisches Nein zum Fleischessen. Wir können beides haben - und beides brauchen wir genauso dringend.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

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