Taz-Serie Neues Soziales Bauen (Teil 7): Mieter mit Spreeblick

Auf dem Gelände des Kiki Blofeld entstehen ab kommendem Winter drei Wohnblöcke auf 4.000 Quadratmetern. 12 der 60 Wohnungen vergibt die Baugenossenschaft an MieterInnen ohne Eigenkapital.

Nicht nur chillen: 60 Genossenschaftswohnungen sollen an der Spree entstehen. Bild: dapd

Der Plan klingt ambitioniert. "Wir wollen 20 Prozent der Wohnungen als klassische Mietwohnungen bauen, die künftigen BewohnerInnen müssen kein Eigenkapital mitbringen." Christian Schöningh will "den Beweis antreten, dass es geht!" Direkt an der Spree - auf dem Gelände, auf dem dieses Jahr noch die Strand-Bar Kiki Blofeld residiert, entwickelt der 49-Jährige sein genossenschaftliches Bauprojekt. Im kommenden Winter sollen hier in der Nähe der Jannowitzbrücke die Bagger rollen. "Es ist wie konkrete Feldforschung", beschreibt der Architekt auch seine Zweifel.

Beim Erwerb des 7.500 Quadratmeter großen Geländes von der öffentlichen Hand zu Beginn dieses Jahres kam der Kerngruppe der Genossenschaft in Gründung die mangelhafte Infrastruktur zugute: Wegen der schlechten Zuwegung, fehlendem Abwasseranschluss und weiteren kostenintensiven Mängeln erhielt die Gruppe den Zuschlag deutlich günstiger als vergleichbare Flächen. 4.000 Quadratmeter sollen mit drei Wohnblöcken zu je 20 Wohneinheiten bebaut werden. Der Rest bleibt Grünfläche. "Es wird zwei öffentliche Wege durch unser ,Spreefeld' genanntes Gelände geben, einmal von der Köpenicker Straße zur Spree und einmal der Uferweg entlang der Spree", erzählt Angelika Drescher, die neu zur Gruppe gestoßen ist. 14 Mitglieder hat die Genossenschaft bisher, neun Wohneinheiten sind erst vergeben, "und nun sind wir in der komfortablen Lage, uns entlang von inhaltlichen Kriterien die restlichen GenossInnen zusammenzusuchen", sagt Schöningh freudig. Vor vier Jahren begann Schöningh, sich um das Gelände zu bemühen, seitdem "liegt ein Lernprozess hinter uns, in dem wir das, was wir politisch und theoretisch allgemein gut finden, auch für uns selbst akzeptierten".

Oberstes Kriterium: "Kein Wohneigentum! Aber im Rahmen unserer Genossenschaft gibt es ein lebenslanges Dauerwohnrecht, das auch an die Kinder weitergegeben werden kann." Dies ist für Schöningh einer der "harten Knackpunkte, der aber vor allem befreit!" Für ihn gibt es "strukturell nichts Konservativeres als den Wohnungsbau". Durch Rechtsformen und Eigentumsstruktur werde seiner Meinung nach oft ein sozialer Zustand betoniert: "So landen alle ganz schnell bei der Papa-Mama-Kind-Familie und die Wohngemeinschaft fällt raus."

In Berlin wird Wohnraum knapp. Neubau tut not. Doch der soziale Wohnungsbau ist Geschichte. Viel zu teuer wurde in den 80ern und 90ern gebaut, die Subventionen landeten meist bei den Investoren. Wie aber kann man sozialverträglich bauen? Die taz erkundet in ihrer Serie Projekte, die das Bauen in der Stadt verändern können.

In Teil 1 (4. 5.) ging es um einen günstigen Neubau für das Mietshäuser-Syndikat, in Teil 2 (11. 5.) um ein Bauprojekt im Bergmann-Kiez. Teil 3 (18. 5.) stellte einen Neubau der Berolina-Genossenschaft vor, Teil 4 (25. 5.) eine Baugruppe, die ihr Verhältnis zu Bauen und Eigentum hinterfragt. Teil 5 (1. 6.) berichtete von bauenden Genossen in der Pappelallee und Teil 6 (15. 6.) über günstigen Wohnraum. (taz)

Deshalb hat Schöningh sich auch mit den psychologischen Prozessen des Bauens auseinandergesetzt. Teils sei es kulturell bedingt, "sein Eigenes haben zu wollen", teils seien es existenzielle Ängste, "im Alter aus der Wohnung geworfen zu werden, die auch viele politisch links denkende Menschen im Privaten zur Eigentumswohnung greifen lassen". Eine Rolle spiele auch die Hoffnung auf günstigen Wohnraum zur Altersvorsorge. "Nur wenn wir uns von gewissen individuellen Eigentumsstrukturen lösen, gelingen vielleicht auch andere Formen des gemeinschaftlichen Wohnens", hofft der Architekt. So zeigten zum Beispiel alle Erfahrungen, dass "sich in einer Baugruppe der anfängliche Konsens im Laufe der Jahre verflüchtigt". Eine Genossenschaft funktioniere dagegen wegen ihrer festgeschriebenen Statuten zuverlässiger.

Nun sollen für 80 Prozent der Wohnungen "Baugenossen" gefunden werden, die für mindestens 20 Prozent der Baukosten von zurzeit 2.000 Euro pro Quadratmeter Genossenschaftsanteile zeichnen. "Aber es darf und soll gerne mehr sein", betont Angelika Drescher. Denn nur so können die restlichen "Mietgenossen", von denen nur ein einmaliger symbolischer Genossenschaftsanteil von 1.000 Euro verlangt wird, mitgenommen werden. Die genaue finanzielle Ausgestaltung der monatlichen Unterhaltskosten ist dagegen noch nicht beschlossen.

Bei einem minimalistischen Strandard bleibt der Innenausbau individuelle Angelegenheit, sagt Drescher. "Denn der Schwerpunkt der Partizipation liegt nicht in der Auswahl von Fliesen und Wasserhähnen, sondern in der Gestaltung des Gemeinschaftlichen." Auf den Sitzungen der Genossenschaft sind die Stimmen gleich gewichtet, dies ist der 42-jährigen Architektin besonders wichtig: ",Baugenosse' gleich ein ,Mietgenosse'!" Ihr schwebt auch eine Fluktuation in den Mietwohnungen vor, "um eine gewisse innere Geschlossenheit und Verkrustung" in der Baugruppe zu verhindern.

Da das Projekt an einer begehrten Uferlage liegt, können die GenossenInnen sich im Augenblick vor BewerberInnen kaum retten. "Wir müssen nicht um sie werben, sondern sie müssen sich an unseren inhaltlichen Vorgaben die Hörner abstoßen", betont Schöningh. Er stellt sich neue Wohnformen vor, zum Beispiel Gemeinschaftswohnungen auf einem Stockwerk mit individuellen Zimmern sowie Küche und Bad, aber einem großen gemeinsamen Wohnzimmer. Seine Kollegin Drescher denkt "da eher an ein Bauernhaus mit Großfamilie, alles ist sehr variabel, da wohnt der Sohn mit seiner in die Familie eingeheirateten Frau mit im Haus, da gibt es die Tante, den inzwischen alleinstehenden Opa." So entstehen für Drescher "gemeinschaftliche Strukturen, die flexibel und bei Bedarf veränderbar sind".

Den Einwand, dass ja gerade viele heutige BerlinerInnen vor genau diesen Strukturen auf dem Land geflohen seien, kontert sie mit dem Hinweis, dass diese dann "bewusst reingehen" und nicht reingeboren würden. Wie sonst solle der Widerspruch der "Sehnsucht nach Bindungen und dem Wunsch, jederzeit gehen zu können", zu lösen sein?

Neben dem Wohnungsbau sind der Baugruppe vor allem zwei Dinge wichtig: die "Optionsräume, überwiegend im Erdgeschoss, die bewusst nicht fertig gebaut und fertig gedacht werden sollen", so Schöningh. Für seine Kollegin Drescher sollen sich in diesen "Nischen soziale und kulturelle Projekte entwickeln, die an die Nachbarschaft gerichtet sind". Das Gleiche gelte für die 3.500 Quadratmeter Grünfläche, die nicht bebaut werden dürfen, "wir suchen Leute, die diese Fläche in Form eines ,Public gardening' oder mit einem Kinderzirkus bekümmern". Über einen Nachbarschaftsverein könnten eine Kiezküche und eine Kneipe betrieben werden. Für Schöningh ist klar, dass "wir keine private Idylle wollen. Wir sind ein Projekt an der Spree, wir sind Innenstadt, wir haben einen Bürgersteig, und der ist öffentlich - Konflikte nicht ausgeschlossen." Gerade deshalb sehen sich Schöningh und Drescher auch als Teil der Diskussion um ein "Spreeufer für alle". In dieser Debatte "liefern wir einen praktischen Redebeitrag!"

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