Ermittlungen gegen Schweriner Klinik: Brust-Operation ohne Patientin

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Falschabrechnungen gegen die Schweriner Helios-Klinik. Krankenkasse klagt zudem über Druck bei der Patientenakquise.

Beherbergen zweifelhafte Machenschaften, wenn es nach den Kassen geht: Helios-Kliniken Schwerin. Bild: Helios

HAMBURG taz | Mecklenburg-Vorpommerns bedeutendstes Privatkrankenhaus, die Helios-Klinik in Schwerin, steht unter Verdacht. "Die Ermittlungen laufen", bestätigt der Schweriner Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek. Die Klinik, so heißt es, habe Abrechnungen fingiert. So erstattete die Techniker Krankenkasse (TK) zu Jahresbeginn Anzeige wegen der Abrechnung einer Brustkrebs-Operation: Die Patientin, so der Vorwurf, soll gar nicht an Brustkrebs erkrankt gewesen sein.

Auch die AOK meldete den Ermittlern mehrere mutmaßliche Fehlabrechnungen. Die Staatsanwaltschaft hat die Fälle zusammengeführt, Zwischenergebnisse ihrer Ermittlungen gab sie am Mittwoch allerdings nicht preis. Auch die Helios-Gruppe mochte sich zu dem schwebenden Verfahren nicht im Detail äußern. Sie räumte lediglich "Unstimmigkeiten zu Abrechnungsfragen" ein.

Für die zuständige AOK Nordost liegt das Hauptproblem in einer Struktur, die Falschabrechnungen regelrecht belohnt. "Das fehlerhaft abrechnende Krankenhaus muss keine Sanktionen befürchten, sondern lediglich den überzahlten Betrag der Krankenkasse erstatten", erklärt eine Sprecherin.

Hingegen müssten Krankenkassen für Nachprüfungen, in denen sich der Verdacht einer überhöhten Abrechnung nicht bestätige, den Krankenhäusern pro Fall eine Aufwandspauschale von 300 Euro zahlen. Häufig allerdings sind solche Prüfungen erfolgreich: So konnte die mecklenburg-vorpommersche AOK allein im vorigen Jahr 14,5 Millionen Euro zurückfordern.

Nicht nur wegen möglicherweise fingierter Rechnungen hat die AOK die Schweriner Helios-Klinik unter Verdacht. Sie vermutet auch eine aggressive Patientenakquise "mit deutlich mehr Druck", die dazu geführt habe, dass die niedergelassenen Fachärzte Patienten einseitig an die Schweriner Privatklinik überwiesen.

64 Helios-Kliniken mit rund 18.000 Betten gibt es bundesweit. Darin versorgt der Klinik-Konzern jährlich 600.000 Patienten.

33.000 Mitarbeiter beschäftigt das Klinikunternehmen und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 2,4 Milliarden Euro (2009).

Über 1.450 Patientenbetten verfügen die Helios Kliniken Schwerin und sind damit das größte privat geführte Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern. Übernommen hatte der Konzern das Haus zum 1. Januar 2004.

Während das Fallzahlaufkommen landesweit stagniert, hatte die Helios-Klinik im vergangenen Jahr 3.800 Patienten mehr als noch 2009 sowie ein Plus von 8,3 Prozent beim hausinternen Fallaufkommen. Allein die TK musste 2010 deshalb rund 17 Prozent mehr an Helios überweisen als im Jahr zuvor.

Dass die Leitung der Klinik ihre Chef- und Oberärzte unter Druck setze, will der NDR herausgefunden haben: Per Rundbrief werde ihnen jeden Morgen die aktuelle Patientenentwicklung mitgeteilt. Mehrere führende Ärzte haben demnach Helios-Schwerin inzwischen verlassen, weil ihnen das Gewinnstreben zu weit gehe.

Hintergrund sind möglicherweise die Gewinnerwartungen des Mutterkonzerns Fresenius: Der verspricht Anlegern Rekord-Renditen durch die Kliniken. Die Helios-Gruppe sagte am Mittwoch zu, sich zu diesen Vorwürfen zu äußern, meldete sich aber bis Redaktionsschluss nicht zurück.

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