Aufstand in Burkina Faso: Unmut schwelt wie Buschfeuer

Immer wieder kommt es zu neuen Protesten, egal was die Regierung macht. Jetzt räumte die Armee die zweitgrößte Stadt gewaltsam von rebellierenden Soldaten.

Werbung für einen Politikwechsel am Busbahnhof in Ouagadougou: "Anders. Nichts kann eine Idee aufhalten, deren Zeit gekommen ist." Bild: Marianne Lange

OUAGADOUGOU taz | "Dabare" bedeutet in Burkina Faso "man kommt irgendwie zurecht". Das Dörfchen Dabare liegt eine Stunde entfernt von der Hauptstadt Ouagadougou. Der Minister für Umwelt ist gekommen. "Unsere Regierung schafft das," sagt er "keine Sorge!" Der Minister ist neu und war zuvor Professor. Jetzt redet er über nachhaltige Entwicklung. Er weiht zwei riesige Parabolspiegel ein, die Sonnenenergie auf die Kochstellen der Karité-Butterherstellerinnen richten sollen.

Am Vortag waren Soldaten aus Ouagadougou in Bobo Dioulasso einmarschiert, der zweitgrößten Stadt des Landes, um dort Aufstände lokaler Soldaten zu beenden. "Das musste ja so kommen," sagt ein Gast in Dabare. "Es ist wie in der Schule: es hat geschellt, die große Pause ist vorbei, und alle müssen wieder zum Unterricht." Das ist eine sehr abgeklärte Sicht der Ereignisse.

Bei der Militäraktion im Handelsknotenpunkt Bobo Dioulasso tötete ein Querschläger eine 14jährige, sechs rebellierende Soldaten wurden erschossen, es gab laut Regierung mehr als 20 Verletzte und rund 90 Festgenommene. Präsidialgarde, Fallschirmspringer und Gendarmen gingen mit Gewalt gegen Soldaten vor, die sechs Tage lang Anwohner in Angst und Schrecken versetzt hatten.

Geschäfte erst ausräumen, dann zerstören

In weiteren fünf Städten hatte es zu Beginn letzter Woche gekracht. Soldaten schossen in die Luft, räumten Geschäfte aus, zerstörten Gebäude. Plünderer schlossen sich an. Diese Szenen wiederholen sich in Burkina Faso seit Monaten.

Die Gründe für die Unzufriedenheit sind bekannt: Fehlende Gehaltsaufbesserungen, nicht gezahlte Prämien, zu niedrige Wohnungsbeihilfen, allgemeiner Ärger über Teuerungen ("La vie chère") und die Politik ("Weg mit Blaise"), Arbeitslosigkeit und Unzulänglichkeiten der Justiz treiben die Burkinabè im ganzen Land mittlerweile im fünften Monat auf die Straße. Wer dabei schießt, wird mit Zugeständnissen belohnt.

Der Aufstand hatte am 22. Februar mit Protesten von Schülern und Studenten in Koudougou begonnen. Am 18. April bildete Präsident Blaise Compaoré die Regierung um. Luc Adolphe Tiao, zuletzt Botschafter in Paris und davor Leiter der Medienbehörde, wurde Premierminister.

Der gelernte Kommunikator ist nun Chef eines verkleinerten Kabinetts, in dem Compaoré selbst den Posten des Verteidigungsministers übernahm. "Unlucky Luc", kommentierte eine Wochenzeitung: Ende April verkündete er eine zehnprozentige Lohnsteuersenkung, Preissenkungen für Grundnahrungsmittel für drei Monate und die Abschaffung der im Vorjahr eingeführten Kommunalsteuer, die jährliche Abgaben von Moped- und Autobesitzern vorsah. Doch die Unruhen gingen weiter.

Schlüsselstellungen mit Angehörigen der Präsidentenfamilie besetzt

Der Exdiplomat, so analysiert die Zeitung LIndépendant, könne als Zivilist nur das aussprechen, was ihm der Präsident, Ex-Militär "Capitaine" Compaoré einflüstert. Schlüsselstellungen sind weiterhin mit Angehörigen der Präsidentenfamilie und Militärs besetzt. Der alte und neue Wirtschafts- und Finanzminister ist Blaise Compaorés Schwager. Der neue Außenminister Djibril Bassolet, als Darfur-Vermittler der UNO bekannt, ist Oberst der Gendamerie.

So bleibt das Land skeptisch. Wenn auch die Kombination aus Gespräch, Gewalt, Entschädigungen, Lohnsteigerungen und Austausch von Ministern manche beruhige, so seien die strukturellen Probleme nicht gelöst, sagt ein Ingenieur. Ein Politikberater klagt, dass die Armut trotz Anti-Armutspolitik nicht sinke. Über die Hälfte des Staatsbudgets kommt aus dem Ausland, wissen Ökonomen und betonen, dass der Anteil eigener Einnahmen durch Steuersenkungen noch kleiner werde. Diplomaten und Zivilgesellschaft kritisieren, dass Korruption Erfolge durch bessere Baumwollpreise und Goldexporte auffrisst. Furcht vor Banden und "Al-Qaida im Maghreb" machen die Grenzgebiete für Händler unsicher. Und nach 23 Amtsjahren hat der Präsident noch nicht versprochen, bei der nächsten Wahl 2015 nur noch "Elder Statesman" zu sein.

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