Uniklinik-Direktor Häussinger über Ehec: "Vorsicht, aber keine Hysterie!"

Medizin-Professor Dieter Häussinger empfiehlt mehr Hygiene statt Hysterie. Man könne kein dauerhaftes Tomatenverbot aussprechen. Allerdings sei die Zahl der Ehec-Infektion erheblich.

Zwang zum Waschen. Bild: dpa

taz: Herr Häussinger, im Kampf gegen den Ehec-Erreger empfiehlt das Robert-Koch-Institut, Tomaten, Salatgurken und Blattsalate nicht mehr zu verzehren. Berechtigte Vorsichtsmaßnahme oder Panikmache?

Dieter Häussinger: Eine solch ausgedehnte Verzehrsempfehlung ist in der Tat neu und kann zu einer Verunsicherung führen. Ich würde jedoch den RKI-Kollegen vertrauen. Sie haben die Ernährungsgewohnheiten untersucht von Erkrankten und Nichterkrankten, und da hat sich gezeigt, dass die Erkrankten überdurchschnittlich viel von diesen Nahrungsmitteln zu sich genommen haben.

Befragt wurden 25 Erkrankte und 96 gesunde Vergleichspersonen in Hamburg. Wie repräsentativ ist das?

DIETER HÄUSSINGER, 59, ist Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der Professor für Innere Medizin ist Experte für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.

Dies sind natürlich kleine Stichproben. Man muss aufpassen, dass es nicht zur Hysterie kommt. Aber solange wir nicht wissen, was die Ursache ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als vorsichtig zu sein.

Warum ist es so wichtig, die Infektionsquelle zu kennen?

Um die Weiterverbreitung zu unterbrechen. Wir müssen herausfinden, wo die Verunreinigungen aufgetreten sind und wie. Nur so kann die Kette durchbrochen werden. Man kann schließlich kein dauerhaftes Tomatenverbot aussprechen.

Bislang sind fünf Todesfälle mit Ehec-Verdacht bekannt. Sind das signifikant mehr als in den Vorjahren?

Vor allem die Zahl der Fälle mit hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS), also der schweren Verläufe, ist hoch. Wir wissen von etwa 200 solcher Fälle binnen weniger Tage. Normal sind in Deutschland 60 bis 70 Fälle im ganzen Jahr. Da ist schon was unterwegs.

Überrascht Sie die Geschwindigkeit, mit der der Keim sich ausbreitet?

Ja. Das spricht dafür, dass die Verbreitung über ein verunreinigtes Nahrungsmittel erfolgt, welches in Deutschland weitläufig vermarktet wird. Das ist neu.

Wie wurde der Keim früher übertragen?

Meistens über direkten Kontakt mit Tieren. Der Streichelzoo ist der Klassiker: Kinder streicheln die Tiere und stecken sich hinterher die Finger in den Mund und stecken sich so über Kotpartikelchen an.

Der Keim ist also nicht neu, aber seine Übertragung?

Den Keim an sich kennen wir seit Langem, er tritt immer wieder sporadisch auf. Sein jetziges Profil scheint jedoch besonders aggressiv zu sein.

Wie wirkt er?

Er produziert ein Gift, das die Schleimhäute im Darm kaputtmacht, was zu Blutungen führt. Er kann aber auch in den Körper gelangen und dort zu einer Nierenunterfunktion führen. Dann wird es ernst, dann kann man nur noch mit Dialyseverfahren versuchen, das Gift zu entfernen. Zehn Prozent der Fälle verlaufen schwer.

Woran liegt es, dass derzeit vor allem Frauen erkranken?

Da kann ich nur spekulieren: vermutlich, weil es meistens die Frauen sind, die zu Hause das Essen zubereiten.

Wie kann man sich schützen?

Wenn man das Gemüse kocht, tötet man den Erreger ab. Obst sollte man grundsätzlich gut waschen. Und natürlich auch die eigenen Hände - mit Seife.

Wenn sich ein Familienmitglied infiziert hat - wird der Rest dann auch krank?

Nicht, wenn sie sich an die Hygieneregeln halten: eine eigene Toilette, eigene Handtücher, eigene Bettwäsche.

Wenn man Ehec einmal hatte, ist man danach immun?

Leider nein.

Sollte sich der Keim weiterhin so rasant ausbreiten: Müssen dann Kitas und Schulen geschlossen werden?

Dafür ist es viel zu früh. Ich prognostiziere, dass der ganze Zauber in zwei, drei Wochen vorbei ist, weil man bis dahin die Ursache gefunden haben wird.

Essen Sie noch rohe Tomaten, Gurken und Salat?

Gurken und Salat nicht, weil ich nicht weiß, woher sie kommen. Bei den Tomaten ist das anders: Ich kenne den Kleingärtner, von dem ich sie beziehe.

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