Rechtpopulisten nominieren Spitzenkandidaten: 2,1 Kinder für die Partei

Die Partei "Die Freiheit" trifft sich zum Wahl-Parteitag. Die Proteste gegen die Versammlung der Rechtspopulisten bleiben überschaubar.

Rene Stadtkewitz - Gründer und Anführer der "Bürgerrechtspartei Die Freiheit": Hier ganz nah dran am niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders. Bild: DAPD

Bei der Vergabe von Parteiposten spielt die Zahl der Kinder normalerweise keine Rolle. Bei der "Freiheit" ist das anders, wie ein Besuch beim zweiten Landesparteitag der Rechtspopulisten im Reinickendorfer Fontane-Haus am Samstag zeigte. Das Plenum dort hat seinen Sarrazin gelesen. Zu spüren bekommt das Vize-Parteichef Marc Doll. Die Mitglieder heben den 33-jährigen Lehrer erst auf Listenplatz zwei für die Abgeordnetenhauswahl, als er verspricht, mehr als 2,1 Kinder in die Welt zu setzen. Schließlich will man Kandidaten ins Rennen schicken, die bei der Bekämpfung der migrantischen "Kinderschwemme" mit gutem Beispiel vorangehen.

Abgeschirmt von Absperrgittern und Polizisten sind unter Führung des Ex-CDUlers René Stadtkewitz etwa 200 Rechtspopulisten im Märkischen Viertel zusammengekommen, um die Partei für ihren ersten Wahlkampf zu rüsten. Draußen auf dem Platz macht das Bündnis "Rechtspopulismus stoppen" mobil. "Die Freiheit tarnt ihren Rassismus hinter einer vorgeschobenen Islamkritik", ruft Dirk Stegemann, Sprecher des Bündnisses. Sie sei die Partei zu Sarrazins sozialdarwinistischem Buch.

Auf der anderen Seite des Gitters will Edgar Glatzel die Aufregung nicht verstehen. Glatzel ist Überläufer: von der CDU zur FDP zur Freiheit. Entgeistert ruft er: "Wir sind islamkritisch. Na und? Der Verfassungsschutz ist auch islamkritisch - sind die deshalb rechtsextrem?" So denkt auch der Gewürzgurkenhändler auf dem Wochenmarkt gegenüber: "Wir leben in einem Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf", empört er sich. Er jedenfalls sei keiner dieser "Hartz IV-Empfänger, die nur auf ihrem Arsch sitzen."

Das antifaschistische Häuflein packt derweil Plakate und Banner wieder ein: In Kreuzberg sollen Nazis aufmarschieren, Stegemann erwartet hunderte Gegendemonstranten. "Es ist leider immer noch so", sagt er zerknirscht, "dass Nazis mehr Widerstand erregen als die rassistischen Populisten hier". Dabei sei diese "Spielart der neuen Rechten", die sich in Meinungsfreiheit gewandet, viel gefährlicher.

Rechtspopulistische Parteien münzen Abstiegsängste in politisches Kapital um. Wie sein niederländisches Vorbild Geert Wilders schafft es Stadtkewitz, der Islamfeindlichkeit einen bürgerlichen Anstrich zu geben. Er sei nicht gegen Religion oder MuslimInnen per se. Aber: "Der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern eine Gesellschaftsordnung - ähnlich dem Kommunismus, in sich diktatorisch." Funktioniert diese radikale Vereinfachung? 24 Prozent der Berliner könnten sich vorstellen, eine "gegen den Islam gerichtete Partei" zu wählen, sagt eine Umfrage im Auftrag der Berliner Zeitung.

Stadtkewitz selber ruft, von Euphorie getragen, "8+x" als Wahlziel aus, der Saal johlt. Im Zwiegespräch gibt er sich der Parteigründer nachdenklicher: Er weiß, dass die Zukunft seiner Partei vom Einzug ins Abgeordnetenhaus abhängt. Bei einem Scheitern an der Fünfprozenthürde "ist die Partei tot", so Stadtkewitz.

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