Internationaler Hebammentag: Biete 1.000 Euro für Hausgeburt

Petra Chluppka arbeitet als freiberufliche Hebamme. Seit sie höhere Berufshaftpflichtsätze zahlen muss, führt sie nur noch selten Entbindungen durch.

Wird eine Hausgeburt zum Luxus? Bild: dpa

BERLIN taz | Die beiden Schwangeren, die Petra Chluppka gerade betreut, bezahlen ihre Hausgeburt selbst, jeweils 300 Euro. Petra Chluppka ist freiberufliche Hebamme in Halle und begleitet seit über zehn Jahren werdende Mütter vor allem bei Hausgeburten. Dass die zwei Frauen jetzt Selbstzahlerinnen sind, hat mit der Berufshaftplichtversicherung für Hebammen zu tun.

Seit Juli 2010 müssen Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, dafür 3.700 Euro jährlich als Berufshaftpflichtversicherung zahlen, vorher waren es 2.400 Euro. Das ist zu teuer, warnte damals der Deutsche Hebammenverband (DHV) und machte am Donnerstag, dem Internationalen Hebammentag, mit bundesweiten Aktionen erneut auf die Kostenexplosion aufmerksam. Die führt nämlich dazu, dass viele Hebammen nicht mehr das tun, was ihre ureigene Aufgabe ist: Babys auf die Welt holen.

Rund um die Uhr bereit

Bereits 600 der bundesweit 4.000 freiberuflichen Geburtshelferinnen haben nach DHV-Angaben die Geburtshilfe aus ihrem Angebotskatalog gestrichen. Auch Petra Chluppka ist dabei. Die Hebammen bieten jetzt vor allem Vor- und Nachbereitungen von Geburten und Schwangerschaftskurse an. "Wir vermuten, dass noch mehr Hebammen aufgeben müssen", sagt Ellen Grünberg vom DHV.

Petra Chluppka betreut durchschnittlich zwei Frauen im Monat. Das mag wenig klingen, sagt die Hebamme, die seit über 20 Jahren im Beruf ist und 1992 in Halle das erste Geburtshaus mit gegründet hat: "Aber es geht ja nicht nur um die reine Geburt, sondern um die gesamte Schwangerschaft." Für jeden "Fall" steht Petra Chluppka um den Geburtstermin herum fünf Wochen rund um die Uhr auf Abruf bereit, egal, ob es nachts drei Uhr ist oder Sonntagvormittag. Die beiden aktuellen Hausgeburten konnte sie nur übernehmen, weil sie für zwei Monate die teure Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Die Kosten dafür, insgesamt 600 Euro, haben die beiden Schwangeren privat übernommen.

Komplett austreten aus der teuren Berufshaftpflichtversicherung können die Hebammen nicht, mindestens zwei Monate im Jahr müssen sie sie bezahlen. In dieser Zeit kann sie dann auch Geburten durchführen. "Diese Termine sind aber schlecht planbar", sagt Petra Chluppka. Kommt ein Kind ein paar Tage nach Ablauf der Versicherungszeit zur Welt, darf die Hebamme die Geburt nicht mehr begleiten. "Aber ich kann nicht auf gut Glück die hohe Versicherungssumme zahlen und dann keine Hausgeburt haben", sagt Petra Chluppka.

50 Kilometer bis zur Klinik

7,50 Euro netto pro Stunde verdient eine Hebamme durchschnittlich, im Jahr sind das 14.150 Euro. Nicht wenige freiberufliche Hebammen arbeiten, um überleben zu können, zusätzlich als Teilzeitkräfte in Krankenhäusern. Einige Kliniken aber haben ihre Geburtsstationen geschlossen und beauftragen sogenannte Beleghebammen, die für eine Geburt ins Krankenhaus kommen. Die Folge: In manchen Regionen gibt es weder Geburtshäuser und -stationen noch Hebammen. Für die Schwangeren kann das zum Teil dramatisch werden und im Risikofall gesundheitliche Folgen haben, warnt DHV-Präsidentin Martina Klenk. Mancherorts fährt eine Schwangere bis zur nächsten Klinik 40 bis 50 Kilometer, gesetzlich erlaubt sind 10 Kilometer.

Um auf das Problem aufmerksam zu machen, starteten die Hebammen im //www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/hebammen-starten-online-petition/:Mai 2010 eine Onlinepetition. Die war so erfolgreich, dass der Petitionsausschuss des Bundestages sich damit befassen musste. Auch Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) traf sich mit dem Hebammenverband. Das Resultat: Das Gesundheitsministerium will jetzt, ein Jahr später, ein Gutachten in Auftrag geben, um "detaillierte Informationen und Daten über die Versorgungs- und Vergütungssituation in der Geburtshilfe zu erhalten". So heißt es in einer Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), auf eine kleine Anfrage der Linkspartei-Politikerin Martina Bunge, die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag ist. Mit den Studienergebnissen rechnet das Ministerium 2012.

Wahlfreiheit bei der Geburtshilfe werde künftig zur Frage der privaten finanziellen Möglichkeiten, sagt Petra Chluppka: "Nur Frauen, die es sich privat leisten können, werden nicht in die Klinik gehen müssen."

In Karlsruhe bieten schon jetzt einige Schwangere mancher Hebamme 1.000 Euro für eine Hausgeburt oder eine Entbindung im Geburtshaus.

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