Bürgerschaftsdebatte: Viel Lärm ums Kindeswohl

Im Zeichen des Wahlkampfes streitet sich das Parlament heftig um mögliche Drogenvergabe an Kinder von substituierten Eltern - und einigt sich am Ende doch

Allseits wurde gestern Betroffenheit bekundet, allen voran von Rita Mohr-Lüllmann (CDU) Bild: Jan Zier

Die Ränge der Bürgerschaft waren gut gefüllt, als gestern, einmal mehr, das "Kindeswohl" auf der Tagesordnung stand. Es sei "in außerordentlich großer Gefahr", hob die CDU-Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann an, mit der Stimme des Vorwurfs und der staatstragenden Miene einer Politikerin, die antritt, Bürgermeisterin zu werden. Lang ist der Schatten der Geschichte des Kindes Kevin, groß die Zahl der politischen Versprechungen und Maßnahmen in der Folge. "Wir müssen uns daran messen lassen", so Mohr-Lüllmann.

In der Sache geht es um eine Untersuchung des Sozialressorts bei 15 Kleinkindern aus Substituiertenfamilien. Bei 14 von ihnen, meldete die Behörde im März, seien in den Haaren Drogenrückstände gefunden worden. Die Kinder wurden vorübergehend aus den Familien genommen. "Wir haben das aufgedeckt", behauptet Mohr-Lüllmann, nicht ohne den heftigen Widerspruch der SPD-Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter. Die sei "abgetaucht", ruft die CDU-Politikerin der Senatorin zu, was sie "beschämend" finde. Zugleich geht es der CDU ums Grundsätzliche: "Das Hilfesystem funktioniert nicht", sagt Mohr-Lüllmann.

Im Hintergrund steht die Frage, ob man weiter prinzipiell annehmen will, dass Substituierte verantwortliche Eltern sein können - oder ob sie, wie es FDP-Politiker Magnus Buhlert ausdrückt, das Recht auf Kinder "verwirkt" haben. Auch die Grünen sprechen davon, dass das gesamte System der Methadon-Substitution einer "Neubewertung" unterzogen werden müsse.

Ob die vorliegenden Haaranalysen schon den Nachweis liefern, dass die Eltern den betroffenen Kindern selbst aktiv Drogen verabreicht haben, ist dabei unter Experten durchaus umstritten. Während die CDU da keinen Zweifel hegt, misstraut auch das Sozialressort seiner eigenen Untersuchung. Es gab deshalb neue in Auftrag, deren Ergebnis aber noch aussteht.

Heftige Kritik erntete die CDU von den Sozialdemokraten und der Linken. Karin Garling (SPD) unterstellte der Mohr-Lüllmann "Scheinheiligkeit", hielt ihr vor, mit "lautem Getöse und großem Gepolter" das Kindeswohl für den Wahlkampf und eine schnelle Schlagzeile "benutzt" zu haben. Inga Nitz von der Linkspartei sprach von "blankem Populismus" - und lobte Sandra Ahrens (CDU), die beim Thema " viel positiver aufgefallen" sei.

Rosenkötter wiederum wies darauf hin, dass Bremen mit seinen Tests "weit" über das in Deutschland "übliche" Maß hinausgehe. Ansonsten habe man es hier mit einer "sehr komplizierten Realität" zu tun, die "keinen Platz für Populismus" lasse.

Einig indes waren sich die Parteien, dass Kinder, die von Eltern Drogen bekommen, auf jeden Fall "raus aus den Familien" müssten. Nur am Rande erwähnt wurde die Gefahr dadurch traumatisierter Kinder, aber auch die Frage, ob die Forderung nach mehr Kontrolle auch ohne mehr Geld und Personal umsetzbar ist.

Am Ende stimmten FDP und CDU für den von rot-grün eingereichten "Dringlichkeitsantrag", der die Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls "weiter entwickeln" will - nicht ohne die Urheberschaft zu reklamieren.

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