Grün, braun, gefährlich

TARNUNG Die rechte Szene engagiert sich gegen Massentierhaltung und Atomkraft und wirkt plötzlich ziemlich harmlos. Die Grünen sind alarmiert. Sieben Fragen zu den braunen Ökologen

Zum Schutz des „gesunden Erbguts“ forderte die NPD in ihrem Programm schon 1973 Maßnahmen gegen radioaktive Strahlung

Umweltschützer bekommen Konkurrenz von rechts: Die NPD wirbt im Wahlkampf mit erneuerbaren Energien und „Heimatschutz“. Andreas Speit, Rechtsextremismus-Experte der taz, beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die Rechten machen auf Öko. Welche Themen haben sie?

In den vergangenen Jahren sind die Themen der ökologisch bewussten Mitte längst auch Themen der radikalen Rechten geworden. Ihre Slogans sind zum Beispiel: „Atomtod stoppen“, „Massentierhaltung beenden“ und „Regional ist erste Wahl“. Im mecklenburg-vorpommerischen Landtag lehnte die NPD-Fraktion ein atomares Endlager in Lubmin ab, in Torgau beteiligten sich die „Jungen Nationaldemokraten“ an einer Protestveranstaltung gegen industrielle Massentierhaltung, und in Wolfsburg brachten die Autonomen Nationalisten Aufkleber wie „Umwelt- und Tierschutz ist Selbstschutz für uns Menschen“ an.

Welche Wurzeln haben die braunen Ökos?

Umweltschutz ist ein Urthema der rechten Bewegung. In der völkischen Bewegung von 1871 bis 1918 haben rechte Politiker wie Paul Förster die bis heute gültige Gleichung „Umweltschutz = Tierschutz = Heimatschutz = Volksschutz“ aufgestellt. In seinen Büchern warnte Förster, dass „fremde Erzieher“, „Juden-Christen“, die „deutsche Volksseele“ gefährden würden: mit ihrem „undeutschen Denken“, das zu Fleischkonsum und Missachtung der Natur führe.

Ein weiterer Vordenker nach 1945 war Herbert Gruhl. Er veröffentlichte 1975 den Umweltbestseller „Ein Planet wird geplündert“. Darin schreibt er, dass die Einwanderungspolitik der „europäischen Völker“ eine „sagenhafte Dummheit“ sei. Ein Jahr vor seinem Tod warnt er in seinem Buch „Himmelfahrt ins Nichts“, dass „viele Kulturen in einem Raum zusammengemixt werden“. Der Wert des Gemisches sinke „mit zunehmender Durchmischung“. Gruhl war Vorsitzender des Bundes für Natur- und Umweltschutz (BUND) und bei der Gründung der Grünen involviert. 1982 verließ er mit einer Gruppe von Anhängern die Partei – daraus entstand die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp). Sie trennten sich im Streit und Gruhl schloss sich der rechtskonservativen Organisation Unabhängige Ökologen Deutschlands an.

Wie bringen die braunen Ökos ihre Thesen unters Volk?

Die Herbert-Gruhl-Gesellschaft wurde 1999 gegründet und hat heute 100 Mitglieder. Ihr Vizevorsitzender Wolfram Bednarski weist ideologische Bedenken von sich: „Wenn man sich etwas außerhalb der vorherrschenden Meinung bewegt, wird man schnell als rechtsextrem bezeichnet.“

In einem Interview mit der rechtsextremen Umweltzeitung Umwelt & Aktiv sagt er jedoch: „Die aus ökologischen, ökonomischen und kulturellen Gründen abzulehnende Massenzuwanderung nach Deutschland und Europa führt zur Zerstörung des europäischen Lebensraumes und der gewachsenen Kulturen seiner Völker.“

Umwelt & Aktiv ist das Öko-Blatt der Szene. Auf der Website erklärt die Redaktion: „Umweltschutz ist nicht grün.“ In der ersten Ausgabe fragt eine Autorin mit Blick auf Juden und Muslime: „Darf man das betäubungslose Töten in der BRD nicht strikt verbieten, weil man sonst unter Rassismus-Verdacht gerät?“ Der Orient kenne noch andere „religiöse Bräuche“, die auch in die Bundesrepublik „importiert“ werden könnten; die „Genitalverstümmelung an Mädchen, die vom Koran ausdrücklich abgesegnete Prügelstrafe für Frauen“. Und sie antwortet: „Es ist mehr als an der Zeit, diesen als Religionsfreiheit deklarierten Diaspora-Romantik-Reibach abzuschaffen!“ In der aktuellen Ausgabe wettern die Autoren wegen des Schächtens gegen Muslime und Juden und schimpfen über die „legalisierte Knabenverstümmelung“: „Wehren wir uns endlich!“ Interne E-Mails, die der taz vorliegen, bestätigen den Kontakt von NPD-Abgeordneten zu Magazinautoren.

Das Jahr 2012 lief für Umwelt & Aktiv gut. Hofer verkündete, dass das Magazin „erstmals kostendeckend arbeiten konnte“. Auch bekannte Umweltschützer wie der Atomkritiker Holger Strohm und die indische Physikerin Vandana Shiva und Promis wie der Kommunarde Rainer Langhans gaben dem Magazin Interviews.

Wie erfolgreich sind die braunen Ökos in ihren Kreisen?

In der Szene breitet sich ihre weltanschauliche Gleichung nachhaltig aus. Auch Zuerst, nach Eigenbezeichnung ein „deutsches“ Nachrichtenmagazin, beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe mit dem Klimawandel und interviewte Volker Kempf, den Vorsitzenden der Herbert-Gruhl-Gesellschaft. Der Verleger ist Dietmar Munier, er ist auch sehr naturbewusst. Als er auf seinem Anwesen in Schleswig-Holstein eine Sonnenwendfeier ausrichtete, war einer der fünfzig „lieben Freunde“ der Holocaustleugner Ernst Zündel.

Die Parteizeitung der NPD hebt die Bedeutung von Herbert Gruhl hervor, der das „Einwanderungsproblem“ als „ökologisches Problem“ verstand.

Wie gehen die Ökoverbände mit den Rechten um?

Mit einer Satzungsänderung ermöglichte der Ökoanbauverband Bioland, Mitglieder mit rechtsextremer Gesinnung auszuschließen. „Bioland ist kein neutraler Erzeugerverband, sondern eine Wertegemeinschaft“, sagte Bioland-Präsident Jan Plagge. „Rechtsextremes Gedankengut hat keine Chance.“ Der Dachverband der Bioverbände, der „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW), erklärte in einer Resolution, dass ebenso rechtsradikale Unternehmer ausgeschlossen werden. Gerald Wehde, Pressesprecher von Bioland, glaubt, dass es eine langwierige Auseinandersetzung sein wird. Bioland hat „unschöne Schreiben“ bekommen, sagt Wehde, und Ankündigungen, nichts mehr bei ihnen zu beziehen. „Damit können wir aber gut leben.“

Wie reagieren die Grünen auf ihre Konkurrenten von rechts?

Im vergangenen Jahr hat die Heinrich-Böll-Stiftung den Band „Braune Ökologen“ herausgegeben, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Das „Bund-Länder-Treffen Rechtsextremismus“ der Grünen im Bundestag Ende 2012 setzte sich nur mit den rechten Ökos auseinander. „Wir müssen die verschleierten Ziele ‚brauner Ökologen‘ öffentlich entlarven und missverständlich klarstellen, dass die Forderungen von NPD und Co. nichts mit unserer ökologischen Ausrichtung gemein haben“, sagte Monika Lazar, Sprecherin der Grünen für Strategien gegen Rechtsextremismus.

Läuft die NPD dem Biotrend hinterher, um neue Wähler zu gewinnen?

Bereits 1973 nahm die NPD in ihrem Programm die Passage „Volksgesundheit und Umweltschutz“ auf, in der die Sorge um die „gesundheitliche Subtanz des deutschen Volkes“ betont wird. Zum Schutz des „gesunden Erbguts“ und der „Volksgesundheit“ forderten sie auch Maßnahmen gegen radioaktive Strahlung.

In den vergangenen Wahlkämpfen hat die NPD die Versorgung mit erneuerbaren Energien betont. Und in Baden-Württemberg, dem Erfolgsland der Grünen, plakatieren sie mit „Umweltschutz ist Heimatschutz“.

Andreas Speit ist Rechtsextremismus-Experte der taz. Er war Mitautor des Bands „Braune Ökologen“ und Referent beim Rechtsextremismus-Treffen der Grünen im Bundestag 2012. Er hat mehrere Bücher zur rechten Szene veröffentlicht