Der Wert der niedersächsischen Oberschule: Gesamtschule? Ja, bitte!

Die Rebellengemeinde Jesteburg hat schon zweimal erfolglos versucht, eine integrative Schule zu bekommen. Nun folgt der dritte Anlauf. Taugt die neue Oberschule dafür?

Wer als Jesteburger Abi machen will, kann nicht zu Fuß zur Schule gehen. Bild: ap

Im niedersächsischen Jesteburg steht erneut eine Art Volksentscheid über eine Schule bevor. Kommende Woche werden die Eltern des 11.000-Einwohner-Orts abstimmen, ob sie an einer Oberschule interessiert sind. Dabei weiß noch kaum jemand, was eine Oberschule eigentlich ist. Diese Schulform hat die Landesregierung gerade erst eingeführt, sie ersetzt die kooperative Gesamtschule, die in Niedersachsen quasi verboten war.

Die Teilnehmer einer Informationsrunde in der Jesteburger Kirche schwankten zwischen Wut und Vorfreude. In dem kleinen Ort gibt es seit mehreren Jahren eine starke Bewegung für eine eigene Sekundarschule. Die Jesteburger haben bereits ein anspruchsvolles Konzept einer Kompetenzschule entworfen, sie haben mit riesiger Mehrheit für eine Integrierte Gesamtschule gestimmt, und nun müssen sie sich plötzlich mit der kleinen Variante einer Oberschule befassen. Die Kompetenzschule trennt Kinder nicht in Leistungsgruppen, sondern unterrichtet sie gemeinsam. Die Oberschule tut dies in den Hauptfächern.

"Eine Oberschule ist ein wohnortnahes Angebot, das viele Vorteile bringt", beruhigte Nathalie Boegel von der Schulinitiative. "Freundschaften vor Ort werden durch eine Schule vor Ort erhalten." Das wäre in der Tat etwas Neues. Von Jesteburg fahren über 700 Schüler mit dem Bus in kilometerweit entfernte Orte, um sich aufs Abi vorzubereiten. Vor Ort gibt es auch keine Haupt- oder Realschule.

Abi ist möglich

Jesteburg ist nicht nur ein Kaff im Hamburger Speckgürtel, wo sich wohlsituierte Bürger Häuschen kaufen. Jesteburg ist ein Exempel, das es in Zeiten des großen Schulsterbens überall in Deutschland gibt: ein Ort, der um eine Sekundarschule kämpft, in dem auch das Abitur angeboten wird.

Zwei Drittel der Schulkinder haben hier eine gymnasiale Empfehlung, viele Eltern wollen, dass ihre Kinder das Abi ablegen, ohne dafür mit tausenden Buskilometern bezahlen zu müssen. Was sie an der Oberschule interessiert, ist dieser Satz im Landesgesetz: "Die Oberschule kann um ein gymnasiales Angebot erweitert werden." Das heißt: Abi ist möglich.

Vor dem Abitur aber steht die Abstimmung. Der Landkreis Harburg hat vier Anträge auf Einrichtung einer Oberschule - allen vier wird er nicht zustimmen. Orte wie Hollenstedt und Nenndorf wollen ihre Schulen aufwerten, in der Elbmarsch soll es genauso sein. Dort müssen Schulkinder täglich eineinhalb Stunden fahren, wenn sie Abi wollen.

Das bedeutet, dass die Jesteburger möglichst viele Stimmen für ihre Oberschule sammeln müssen. Einerseits sollte das nicht so schwer werden, denn in Jesteburg stehen der Bürgermeister, die lokale Wirtschaft, die Eltern und auch die beiden Grundschulen hinter der neuen Schule. "Wenn wir nicht glaubten, dass ganz viel von unserer Kompetenzschule in der Oberschule drinsteckt, dann wären wir nicht hier", sagte Karl-Heinz Glaser aus der Schulinitiative. Seine Mistreiterin Boegel konnte das kürzer: "Kommt die Schule, lebt das Dorf."

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