Roma-Abschiebung: "Wir gehen nicht!"

Die aus Serbien stammende Familie P. wehrt sich gegen ihre drohende Abschiebung - und setzt sich für ein Bleiberecht auch für andere Roma-Familien ein.

Wollen sich nicht unterkriegen lassen: Saljana P. und ihr Vater Muci (r.). Bild: Ulrike Schmidt

Verlässt man die Autobahn bei der Ausfahrt Billstedt und biegt rechts ab, dann kommt man in ein Industriegebiet, in dem sich eine Garage an die andere reiht. Kein Wunder, dass der Bus nur alle Stunde fährt. Inmitten dieser Industriewüste liegt das Flüchtlingsheim Billstieg.

Ein Gebäudekomplex aus Betonklötzen, denen nur die Wäsche auf den Balkonen ein wenig Farbe verleiht. Der Hof ist voll spielender Kinder, aus den offenen Türen kommt Musik.

Im ersten Stock wohnt die Familie P. mit ihren drei Kindern. Sie sind Roma aus Serbien, die mit Unterbrechung schon mehrere Jahre in Deutschland leben.

Beim Betreten der kleinen Wohnung, rufen aus der Küche mehrere Frauenstimmen gleichzeitig: "Schuhe aus!", im Flur stehen 20 Paare fein säuberlich nebeneinander. Im spärlich eingerichteten Wohnzimmer sitzen Menschen auf Betten und rauchen, der Vater der Familie setzt sich an den runden Holztisch. Gegenüber strahlt die Jungfrau Maria von der Wand.

Wir sitzen kaum, da fängt Muci P. an zu erzählen. Wie er 1992 aus der serbischen Armee desertierte, mit seiner Familie unter falschem Namen nach Deutschland floh, dann nach Serbien zurück musste, rechtlos, ohne Papiere. 2003 war er wieder in Deutschland, nachdem die albanische Mafia versucht habe, ihm seine Tochter abzukaufen. Vier Jahre später wurden sie erneut abgeschoben. Seit 2010 sind sie nun wieder zurück. Von einer Auffangstation kamen sie in das Flüchtlingslager, das Hamburg ins mecklenburgischen Horst ausgelagert hat, landeten später dann in Billstedt. Am 15. April läuft ihre Duldung mal wieder aus. Während Muci P. erzählt, steht er immer wieder auf, um seinem Bericht mit Gesten Nachdruck zu verleihen.

Immer wieder klopft es an die Tür, immer mehr Menschen bevölkern Küche und Wohnzimmer. Das nachbarschaftliche Verhältnis hier sei normal, wie überall sonst auch. Die Familie hat hauptsächlich Kontakt zu den Menschen, die auch über Horst kamen, wie die kränklich aussehende Frau, die auf einem der Betten sitzt. Sie sei gestern Nacht von ihrem Mann gebracht worden, weil sie solche Schmerzen gehabt habe und ihm nur die Familie P. eingefallen sei. Muci P.s ständig klingelndes Handy deutet darauf hin, dass er nicht der einzige ist. Mittlerweile wenden sich viele hilfesuchende Flüchtlinge an die Familie.

Alles fing damit an, dass der Flüchtlingsrat Muci P. bat, Informationen über die Situation der Menschen in Horst zu beschaffen. Irgendwann habe er gemerkt, dass die Leute nirgends hingingen, wenn er nicht mitkam. Und so ging er dann eben zu Sozialämtern, Anwälten und Ärzten. "Natürlich macht es mir Angst, wenn alle meinen Namen kennen", sagt er. "Wenn unsere Familie die einzige ist, die der Politik Druck macht, könnte man uns ja abschieben und es wäre wieder Ruhe." Aber um sich darüber Sorgen zu machen, sei es jetzt auch zu spät.

Vor allem seine Tochter Saljana unterstützt ihren Vater. Auf einer Kundgebung für ein Bleiberecht der Romafamilien, die akut von Abschiebung bedroht sind, hat sie vorige Woche selbstbewusst erzählt, wie sie keinen Ausbildungsplatz findet. Eine Schule für Migrantinnen habe sie abgelehnt, weil sie zu gut Deutsch spreche.

Mittwochs und donnerstags kommen neue Menschen aus Horst in den Billstieg. "Wir hoffen immer, dass Mädchen in unserem Alter dabei sind", sagt Saljana. Das ist ihre einzige Unterhaltung. "Eigentlich gehen wir selten weg, vielleicht wenn mal Flohmarkt ist, aber sonst besuchen wir uns gegenseitig in den Wohnungen." Sie lacht und ihr Piercing funkelt. "Aber hier ist immer was los, das ist echt cool." Vor allem mit den Menschen aus Horst würde sie sich gut verstehen, die hätten das gleiche erlebt wie sie - das verbinde. Ansonsten fühle sie sich eher als Deutsche denn als Roma: "Guck mich an, meine ganze Art und Weise ist deutsch. Würdest du mich neben einen Roma stellen, dann sind das Welten." Schon wieder muss sie lachen.

Wenn Saljana nicht gerade zwischen Sozialamt, Kompetenzagentur und Beratungsstellen hin- und herfährt, bringt sie Kinder aus Billstedt zum Wohnschiffprojekt nach Altona, einer Anlaufstelle für Flüchtlingskinder. Sie ist viel unterwegs.

Auf die Frage nach ihrer Abschiebung antwortet sie, ohne zu zögern: "Wir versuchen immer positiv zu denken und uns zu sagen: Wir gehen nicht!"

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