Freispruch nach Vergewaltigung: Trauma schützt vor Strafe

Eine mehrfache Vergewaltigung ist vor Gericht nicht nachweisbar, weil die Geschädigte nach ihrer Befragung zur Tatnacht psychisch zusammengebrochen war.

Bis zum Schluss keine Regung gezeigt: Drei der Angeklagten zu Prozessbeginn im November 2010. Bild: dpa

BREMEN taz |Er habe keinen Zweifel, dass es sich so zugetragen habe, wie die "geschädigte Zeugin" es geschildert habe, sagte Richter Manfred Kelle - um dann einen Freispruch zu verkünden. Straflos gehen damit sechs Bremer Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren aus. Ihnen war vorgeworfen worden, in der Nacht zum 1. Juli 2007 eine 17-Jährige über Stunden vergewaltigt zu haben.

Die Geschädigte war in ihrer Vernehmung psychisch zusammengebrochen, bevor im Einzelnen erörtert werden konnte, welcher der Angeklagten in jener Nacht nun genau was getan hatte. Eine Gutachterin attestierte der 17-Jährigen, die seither als verhandlungsunfähig galt, eine "Re-Traumatisierung".

Oralverkehr, Analverkehr, immer wieder, auch mehrere Männer gleichzeitig. Einmal sei ihr eine Flasche in die Vagina gestoßen worden, einmal eine Faust: "Wenn man sich vorstellt, was diese 17-Jährige über sich ergehen lassen musste - da kann einem nur schlecht werden", sagte der Richter. Und dass er sich ein Signal des "Bedauerns" von den Angeklagten gewünscht hätte. Diese - alle sechs mit türkischem oder arabischen Migrationshintergrund - hatten zuvor 15 Verhandlungstage lang geschwiegen und nahmen am Mittwoch ihren Freispruch auch ohne erkennbare Regung entgegen.

"Vergewaltigung" dürfe man nicht nennen, was da passiert sei, sagte Verteidiger Eberhard Schulz. "Es gibt auch junge Frauen, die sind sexhungrig", pflichtete sein Anwaltskollege Matthias Koch bei. Er sprach durchweg von der "so genannten Geschädigten" und kündigte an, ein Schmerzensgeld-Verfahren gegen die Bild-Zeitung führen zu wollen, weil darin von "feigen Vergewaltigern" die Rede gewesen war.

In der Tat hatte offenbar auch die 17-Jährige sich nicht durchgehend als Opfer gesehen: Erst als sie zwei Tage nach der Tatnacht in der Schule einen psychischen Zusammenbruch erlitten hatte, ging sie zu einem Arzt, Anzeige erstattete sie auf Drängen ihrer Mutter.

Die 17-Jährige habe Abtreibungen hinter sich und Erlebnisse mit sexueller Gewalt, so Richter Keller. Wenn sie jetzt traumatisiert sei, liege das vielleicht nicht nur an jener Nacht zum 1. Juli 2007. Die junge Frau habe offenbar Probleme, sich deutlich abzugrenzen. Gegenüber der Kriminalpolizei sagte sie einmal aus, ihr sei damals "alles egal" gewesen. Hatten die Angeklagten sie mit "K.O.-Tropfen" gefügig gemacht? Auch das war nun aus Sicht des Bremer Landgerichts nicht mehr feststellbar.

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