Zwangssprachkurse an Niedersachsens Schulen: Sarrazin macht Schule

Niedersachsen will Sprachkurse für Vorschulkinder mit Nachholbedarf als zur Schulpflicht gehörig deklarieren. Damit droht renitenten Eltern in Zukunft ein Bußgeld. Grüne sprechen von "billigem Populismus".

Eltern aufgepasst: Niedersachsen sagt Integrationsverweigerern den Kampf an. Bild: luxuz::. / photocase.com

HANNOVER taz | Über die Einführung von Bußgeldern für Eltern, die ihre Vorschulkinder nicht zu Sprachkursen schicken, stimmt der niedersächsische Landtag heute ab. Sie sind neben der Einführung der so genannten Oberschulen Teil des "Gesetzes zur Neuordnung der Schulstruktur in Niedersachsen".

Nach dem Gesetzentwurf der schwarz-gelben Regierungsfraktionen soll die Teilnahme an Sprachfördermaßnahmen ab dem kommenden Schuljahr Teil der Schulpflicht werden. Die Nicht-Teilnahme kann entsprechend als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Bereits im Oktober hatte Ministerpräsident David McAllister (CDU) Sanktionen für "Sprachkursverweigerer" gefordert - ganz im Sinne von Thilo Sarrazin, der in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" härtere Sanktionen gegen "Integrationsverweigerer" verlangt hatte.

Vor der Verabschiedung des neuen niedersächsischen Schulgesetzes haben sich auch CDU-Politiker für die Gesamtschule ausgesprochen.

Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) sagte als Vorsitzender des Städtetags, es sei nicht akzeptabel, neuen Gesamtschulen die Anerkennung als echte Ganztagsschule zu verweigern.

Fünf Parallelklassen pro Jahrgang braucht es für die Gründung einer Gesamtschule, bei den Oberschulen - zu denen Haupt- und Realschulen zusammengefasst werden sollen - sind es nur vier.

Während sich vierzügige Oberschulen ohne Neubauten einrichten ließen, brauche es für fünfzügige Gesamtschulen neue Gebäude, kritisierte Klingebiel.

Man wolle mit der Einführung eines Bußgeldes "den Stellenwert der Sprachförderung bewusster machen", sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Ludwig von Danwitz. Ähnlich wie bei den verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen für Kleinkinder wolle man Eltern und Kinder "zu ihrem Glück zwingen".

Aus der Opposition hagelte es Kritik: Von "billigem Populismus" spricht die Grünen-Schulpolitikerin Ina Korter. Für sie zeugt die geplante Gesetzesänderung vom Streben, "sich in die bundespolitische Profilierung als Hardliner gegenüber Migranten einzuordnen".

Auch im Bund plant Schwarz-Gelb Sanktionen gegen vermeintliche Integrationsverweigerer. Der Aufenthaltsstatus soll künftig an das Bestehen des Integrationskurses samt Deutschtest gekoppelt werden.

Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Frauke Heiligenstadt, fordert, das Thema Sprachförderung bei Schulkindern differenzierter zu betrachten "statt die Keule zu schwingen". Auch Migranten-Verbände äußern sich kritisch. "Wenn Eltern ihre Kinder nicht zu Sprachkursen schicken, hat das meist mit mangelndem Bewusstsein zu tun", sagt Banafsheh Nourkhiz, zuständig für Elternarbeit bei der Arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge in Niedersachsen (AMFN). "Über Strafen lässt sich da aber nichts erreichen", stattdessen brauche es Überzeugungsarbeit.

Bei 11.322 Vorschulkindern waren im Schuljahr 2009 / 2010 bei Sprachtests mangelnde Deutschkenntnisse festgestellt worden, teilte das Kultusministerium im November auf Anfrage der Grünen mit. 254 - also 2,2 Prozent - dieser Kinder nahmen gar nicht an Sprachfördermaßnahmen teil, 714 Kinder besuchten die Kurse unregelmäßig.

"Die Debatte um Sprachkursverweigerer", sagt Grünen-Politikerin Korter, "impliziert Absicht bei den Eltern." Sie gehe aber davon aus, dass die meisten der Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kurse schickten, schlicht nicht wüssten, dass die Kurse verpflichtend sind.

Denn Pflicht ist die Teilnahme an Sprachfördermaßnahmen schon nach dem jetzigen niedersächsischen Schulgesetz. In einem eigenen Paragrafen ist die Sprachförderung von Schulkindern dort geregelt. Schon 2002 hatte die damalige SPD-Kultusministerin Renate Jürgens-Pieper - heute Bildungssenatorin in Bremen - ein Sprachfeststellungsverfahren für Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung sowie Kurse bei schlechtem Abschneiden eingeführt. Sanktionen bei Nicht-Teilnahme sah das Gesetz bisher allerdings nicht vor.

Für eine Sprachkurs-Pflicht sei man nach wie vor, sagt die SPD-Schulpolitikerin Heiligenstadt. "Denn mit der Pflicht ist zugleich auch der Anspruch der Kinder auf Förderung formuliert." Und um dem flächendeckend gerecht zu werden, fordert sie mehr Ressourcen. Die Sprachförderung solle künftig von den ErzieherInnen in den vertrauten Kita-Gruppen erteilt werden - statt wie bisher separat von GrundschullehrerInnen.

Ein Punkt, über den auch aus Sicht des CDU-Mannes von Danwitz "diskutiert werden könnte". Er kündigt eine Evaluation der bisherigen Fördermaßnahmen an, denn "stellenweise" sehe auch er "organisatorische Schwierigkeiten".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.