Streit im Kleingartenidyll: Steinkauz stoppt Bagger

In Kappeln an der Ostsee sollen Deutschlands älteste Kleingartenparzellen abgeholzt werden. Ein Investor will dort Stadthäuser bauen - doch eine Protestinitiative erwirkt einen vorläufigen Rodungsstopp.

Freut die Naturschützer: der Steinkauz. Bild: BUND

KAPPELN taz | Eva Heimsoth steht im Gestrüpp der Ostseegemeinde Kappeln und ist wütend. "Hier wird der Garten Eden abgeholzt", sagt die Mitinitiatorin der Naturschutzgruppe "Hand aufs Herz" und blickt benommen auf Parzelle 23. Das "Biotop", wie sie es nennt, ist komplett dem Erdboden gleichgemacht worden. Es gehört zur ältesten Kleingartenkolonie Deutschlands, 1814 gegründet. Nach dem Willen der Investoren sollen hier Stadthäuser entstehen - mit dem Segen der Kirche, der das Grundstück gehört.

"200 Jahre war das hier ein Zufluchtsort für Mensch und Tier gleichermaßen", sagt Thomas Stange, Mitnutzer der bisher verschonten Parzelle 21. Ungläubig lugt er auf das planierte Nachbargrundstück. Das seines Freundes soll das nächste sein.

Das Bauvorhaben spaltet den Kleingartenverein in zwei Lager, sagt Heimsoth. Sie selbst ist zwar kein Vereinsmitglied und hat nur eine nicht betroffene Parzelle gepachtet, meint aber, die Aktion passe ins Bild: "Unsere Gärten sehen halt von außen etwas wilder aus - Hecken und Sträucher sind nicht mit Lineal und Nagelschere begradigt."

Die Befürworter im Verein verstehen die Aufregung nicht. "Seit 2003 war allen klar, dass wir das betroffene Gelände an die Kirche zurückgeben", sagt Reinhard Samuelsen, der erste Vorsitzende des Kleingartenvereins in Kappeln. Pächter der betroffenen Parzellen hätten deshalb schon 2004 nur eine Nutzungsvereinbarung mit monatlicher Kündigungsfrist erhalten. Samuelsen sagt auch, dass der weitaus größte Teil der Anlage als Erhalt des Ursprungs des ältesten deutschen Kleingartenvereins als Dauerkleingarten erhalten bleiben soll.

Als letztes Jahr ein Investor Interesse an dem Gelände bekundete, stimmte die Mehrheit der Vereinsmitglieder für die Rückgabe der beiden Parzellen 21 und 23 an die Kirche. 6,5 Hektar Land hat der Kleingärtnerverein von der Kirchengemeinde gepachtet, gestritten wird um rund 2600 Quadratmeter, also 4 Prozent. Auf denen will der Architekt Thomas Molt zwei "Villen" mit jeweils sechs bis acht Eigentumswohnungen bauen - barrierearmes Wohnen "im grünen Herzen von Kappeln", wie es auf der Zeichnung vor den Gärten gepriesen wird.

"Es gibt aber eigentlich gar keinen Bedarf an solchen Wohnungen - die halbe Innenstadt steht leer, da kann man viel zentraler so ein Projekt realisieren, das alten Menschen entgegenkommt", sagt Heimsoth. Die historischen Gärten seien Naturdenkmale und längst auch Biotope. "So etwas verkauft man nicht."

Baurechtlich sei alles korrekt abgelaufen, sagen Kirche, Architekt und Bauamt. Ein Gutachten zur Prüfung naturschutzrechtlicher Bedingungen vom Planungsbüro Leguan liegt vor. Fazit: Die historischen Parzellen beherbergten keine gefährdeten Arten.

"Das stimmt nicht!", widerspricht Thomas Stange. Mehrfach sei der Steinkauz auf dem Gelände gesichtet worden - der Vogel steht unter strengem Artenschutz. Stange: "Eigentlich müsste das einen sofortigen Baustopp nach sich ziehen."

Die Tests des Planungsbüros Leguan seien unzulänglich gewesen, argumentieren die Naturschützer von "Hand aufs Herz": ein Vogelexperte sei in dem Gutachten nicht zu Rate gezogen worden. "Lediglich ein Diplombiologe, der seinen Schwerpunkt im Sektor der Amphibien hat, hat das Gelände untersucht", sagt Heimsoth. Es sei also nur ein "Scheingutachten".

Einen Aufschub haben die Naturschützer immerhin erreicht: Am Dienstag hat die Untere Naturschutzbehörde aus Schleswig einen sofortigen Rodungsstopp angeordnet. "Der Verdacht, dass Tiere, die unter dem Landesnaturschutzgesetz stehen, so wie der vom Aussterben bedrohte Steinkauz, trotz negativem Befund des Gutachtens, dort ansässig sind, lässt berechtigte Zweifel an der Gültigkeit des Gutachtens", so die Begründung der Naturschutzbehörde.

Das Gutachten des Planungsbüros muss jetzt überprüft werden. "Das bringt uns Zeit bis zum Herbst", sagt Heimsoth. Dann werde man weitersehen.

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