Heinz Strunk über die Wahl in Hamburg: "Witze über Ostdeutsche machen Spaß"

Am Sonntag wird in Hamburg ein neuer Bürgermeister gewählt. Heinz Strunk erklärt, warum es nur einen geben kann - und zwar ihn selbst.

Heinz Strunk sieht besser aus als Christoph Ahlhaus, Olaf Scholz und Anja Hajduk zusammen. Bild: dpa

taz: Herr Strunk, Sie kandidieren als Spitzenkandidat der "Partei" für das Amt des Ersten Bürgermeisters in Hamburg. Machen Sie das für Ihre persönliche Karriere?

Heinz Strunk: Ich kann in aller Bescheidenheit behaupten, dass ich das uneigennützig mache. Es geht nicht darum, dadurch meine Popularität zu mehren. Ich solidarisiere mich mit Martin Sonneborn, und der Titanic bin ich seit 30 Jahren verbunden, sie ist für mich eine humoristische Gegenbewegung gegen den ganzen Schrott. Die diesjährige Kandidatur wollte ich zuerst gar nicht, weil mir das zu klamaukig erschien und ich nicht den Eindruck eines "Hansdampfs in allen Gassen" hinterlassen wollte. Aber ich habe im Rahmen der Solidaritätsgala gegen die Hamburger Kulturpolitik meinen Beitrag leisten können. Das waren zwei Fliegen mit einer Klappe, und es hat Spaß gebracht, die Rede für die Partei zu schreiben.

Was wollten Sie mit dieser Rede transportieren?

geboren am 17. Mai 1962 in Hamburg-Harburg, heißt eigentlich Mathias Halfpape, lässt sich manchmal aber auch Jürgen Dose nennen. Er schreibt Romane ("Fleisch ist mein Gemüse"), treibt Telefonscherze mit Studio Braun, spielt schlau und kandidiert für Die Partei als Bürtgermeister von Hamburg.

Sie sollte sich in der Tonalität an Politikerreden orientieren, inhaltlich ging es ausschließlich darum, so viel wie möglich gute Gags unterzubringen, wie auf den Haarschnitt von Anja Hajduk eingehen oder Ahlhaus zu bezichtigen, er habe sein Vermögen mit Kettenbriefen gemacht, und Scholz Lieblingshobby sei es, Sitzungen zu schwänzen.

Hat sich die Politik in Deutschland so verändert, dass die Menschen die Politiker ohnehin nicht mehr ernst nehmen können? Wäre es vor 30 Jahren möglich gewesen, mit einer satirischen Partei in der Öffentlichkeit aufzutreten?

Vielleicht hat man solchen Figuren wie Willy Brandt damals noch Gestaltungswillen zugetraut. Das ist bei einer entkernten Figur wie Westerwelle unmöglich. Der ist eine Karikatur seiner selbst, nur leider nicht lustig. Man traut ihm wegen seiner Kaltherzigkeit und seinem offensichtlichem Funktionärskarrierestreben nicht zu, dass er ideelle Ziele verfolgt. Der ist ein Typ Berufspolitiker, wie er heute dominiert. Deswegen glaube ich auch, dass viele Menschen Politik gar nicht mehr ernst nehmen. Verstärkt wird, dass Politik unter dem Globalisierungsdruck auch keine gestalterischen Freiräume mehr hat und letztlich wirtschaftlichen Sachzwängen gehorcht.

Man hat das Gefühl, die Welt wird von den großen Konzernen regiert. Und man weiß vom unglaublichen Wachstum in China und von einer gefährdeten Vormachtstellung der Vereinigten Staaten mit unabsehbaren Folgen. Ich beschäftige mich damit viel zu wenig, als dass ich da kluge, substanzielle Beiträge liefern könnte. Ich bin ja kein Politiker. Bevor ich hier mit komischen Stammtischparolen beginne, schweige ich lieber still.

Ich muss Sie daran erinnern: Am Sonntag heißt es "Strunk for Bürgermeister". Gibt es Ziele der Partei, die Sie ernsthaft befürworten, wie etwa die Mauer zwischen Ost und West wieder aufzubauen?

Das ist in der Formulierung als Gag zu verstehen, aber ich finde schon, dass es da gewisse Wahrheiten gibt. Ich verstehe wirklich nicht den Sinn und Zweck eines Solidaritätspakts. Man fragt sich, wo das Geld so versickert - abgesehen davon, dass sich irrsinnig viele Leute die Taschen damit vollstopfen, sich persönlich bereichern. Irgendwelche ostdeutschen Kleinstädte werden gepimpt bis zum Gehtnichtmehr, und wenn man mal im Ruhrpott durch Gelsenkirchen fährt, sieht man, wie das verfällt, und in Ostdeutschland gehen die Milliarden rein - das klingt jetzt auch etwas stammtischmäßig.

Außerdem habe ich tatsächlich Vorurteile: Die östliche Population besticht durch eine wahnsinnige Humorlosigkeit und durch ein extremes Fehlen an Charme und Eleganz. Deswegen findet dieses Ossi-Bashing, was von der Partei betrieben wird, bei mir fruchtbaren Boden. Es macht Spaß, Witze über Ostdeutsche zu machen.

Wollen Sie mit Ihrem Humor die Gesellschaft kritisieren? Was bezwecken Sie als Buchautor?

Ich verstehe meine Bücher nur bedingt als Gesellschaftskritik. "Fleckenteufel" ist zum Beispiel eine schöne Geschichte, die ich selbst erlebt habe und nach Charlotte Roches "Feuchtgebiete" dachte, es sei eine gute Gelegenheit, diesen Teil meiner Biografie literarisch zu verwerten. Ich habe thematisiert, dass die Diakone in den drei Gemeinden in Hamburg durch die Bank hinter den kleinen Mädchen her waren. Sie haben ihren Schmu gepredigt und waren ganz harte Bumsböcke. Dass die Verklemmtheit, dass es noch ein Zölibat gibt, solche Sauereien begünstigt, liegt doch auf der Hand. Da muss nicht Heinz Strunk kommen. Wenn wir schon dabei sind: Ich bin mittlerweile ein schwerer Gegner der Religionen. Nach der ersten Million Tote im Namen einer Religion sollte die bescheidene Frage gestattet sein, ob die Menschheit nicht besser dran wäre ohne Religion.

Ging es bei "Fleisch ist mein Gemüse" auch um die Aufarbeitung Ihres Lebens oder um eine Kritik am deutschen Kleinbürgertum, wie viele der bildungsbürgerlichen Leser annehmen?

Ich habe für mich diesem trostlosen Abschnitt meines Lebens mit der Tanzmusik im Nachhinein Sinn einhauchen können. Gelegentlich wird mir vorgeworfen, ich sei in meiner Darstellung von Menschen bösartig oder zynisch und würde nur über Monstrositäten und Deformationen berichten, aber ich finde mich allenfalls genau, in dem, was ich beobachte. Ich würde mich zwar nicht als Menschenfreund bezeichnen, weil ich viele Menschen widerlich finde, aber ich bin kein erklärter Menschenhasser. Aber Bildungsbürgertum - das klingt zu sehr nach FAZ, so konservativ.

Ich kann nur sehen, welches Publikum zu meinen Liveauftritten kommt: Das ist jung, urban, wirkt akademisch vorgebildet, relativ stylish. Was ich erstaunlich finde, ist, dass ich im grundsoliden deutschen Feuilleton so gut wegkomme. An Heinz Strunk trennt sich die Spreu vom Weizen. Je dümmer die Leute sind, desto weniger schnallen die, worum es geht. Das Westfälische Volksblatt schreibt über mein neues Buch: "Wer Niveau oder gar Tiefgang erwartet, wird bitter enttäuscht" - da frage ich mich, ob die noch richtig ticken.

Sie schreiben in "Heinz Strunk in Afrika": Alle Deutschen sind im Kern Blockwarte, Privatsheriffs, Schnüffler, Denunzianten. Schneiden Sie sich nicht ins eigene Fleisch? Sie sind Deutscher.

Ich nehme mich nicht davon aus. Aber weil ich über eine ziemlich gesunde Selbstdistanz verfüge, ertappe ich mich auch bei all diesen vermeintlich deutschen Eigenschaften. Ich mache mittlerweile einen Gag draus, wenn Leute nachts ohne Licht auf der falschen Seite Fahrrad fahren, schreie ich denen hinterher: "Kein Licht, falsche Richtung" - aus Bock und um dieses Blockwartding ad absurdum zu führen. Man sagt ja auch, die Deutschen seien die Weltmeister der Melancholie - da zähle ich mich gerne dazu. Aber ein Nationalbewusstsein ist bei mir null Komma minus vorhanden. Die letzte Bastion des Patriotismus, sich für die Fußballmannschaft zu interessieren, auch das: null.

Wie weit die Deutschen seit Hitler das Recht auf fröhlichen Nationalismus verwirkt haben, sei mal dahingestellt. Andere Völker haben auch schlimme Verbrechen begangen, das deutsche ist das perfekt monströseste von allen, aber das sind halt die Deutschen. Stolz auf den Umstand, dass ich zufällig in Deutschland geboren bin und nicht im Sudan oder so, bin ich nicht. Ich gehe am liebsten und am härtesten mit Deutschen ins Gericht, weil ich das auch am besten kann.

Sie schreiben auch, der Westen werde nicht durch Krieg und Verelendung, sondern am seelischen Unglück zugrunde gehen.

Die Titelgeschichte im Spiegel ist Burn-out, eines der vielfältigen Symptome des Unglücks, wie auch das Ausbreiten von Allergien. Es gibt dieses Ranking, wo gefragt wird, wo die Leute am glücklichsten sind. Bangladesch ist häufig auf Platz eins. Ich begreife das als Schicksalsgerechtigkeit. Die Leute hier leben im Überfluss, können sich alles kaufen, sind aber unglücklich, die Leute, die wenig haben, sind glücklich. In Mombasa träumen alle davon, hierherzukommen - nicht wissend, was sie hier erwartet und dass sie wahrscheinlich innerhalb von zwei Jahren ihre gesamte Fröhlichkeit verlieren und hier saturiert und reich leben, aber mit einem hohen Preis. Das ist so die globale, ausgleichende Gerechtigkeit.

Hier sind sie mit ihrem Reichtum wenigstens mit Depressionen gestraft. Wobei ich mich auf ganz dünnem Eis bewege, physisches Leid mit psychischem zu vergleichen. Aber ich habe anhand meiner Mutter gesehen, die über zwanzig, dreißig Jahre schwerste Depressionen hatte: mehr Leid geht nicht. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich jedes körperliche Gebrechen vorziehen, selbst Hunger.

Eine letzte Frage zum Sonntag: Würden Sie sich selber wählen?

Eher nicht. Für mich ist keine Partei wählbar. Das letzte Mal bin ich zur Wahl gegangen, als es darum ging, den dicken, ollen Kohl aus dem Amt zu bugsieren.

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