Ein Gesetz und seine Vorbilder: Partizipation in Rot-rot

Das Integrations- und Partizipationsgesetz ist am 1. Januar in Kraft getreten. Aber welche Rolle spielen EinwanderInnen eigentlich in den Reihen der rot-roten Koalition?

Als erstes deutsches Bundesland hat sich das Land Berlin ein Integrations- und Partizipationsgesetz gegeben. Es soll Einwanderern und ihren Nachkommen mehr Teilhabe an gesellschaftlichen Institutionen und Entscheidungsprozessen ermöglichen. Aber wie halten es eigentlich SPD und Linke als "VorreiterInnen" in Sachen Integration mit der Teilhabe von MiggrantInnen in den eigenen Reihen?

StaatssekretärInnen oder gar SenatorInnen mit (nicht deutschem) Migrationshintergrund hatte die rot-rote Koalition bislang nicht zu bieten - und auch keine frühere Landesregierung. Auch Bezirksbürgermeister oder -stadträtInnen nicht deutscher Herkunft gab es in Berlin bislang nicht. Immerhin haben sowohl die Roten als auch die "richtig Roten" (Eigenwerbung Linkspartei) in ihren Abgeordnetenhausfraktionen bereits seit Jahren einige Mitglieder mit Migrationshintergrund.

Spitzenreiter bei den Abgeordneten sind aber immer noch die Grünen, die nicht nur den Einwanderersohn Cem Özdemir an der Bundesspitze, sondern auch im Berliner Parlament die meisten Abgeordneten mit Migrationshintergrund vorzuweisen haben. Es sind fünf: neben den türkischstämmigen Özcan Mutlu und Canan Bayram die in Zagreb geborene Jasenka Villbrandt, Benedikt Lux, der auf seiner Webseite ausdrücklich auf seine aus Korea stammende Mutter hinweist, und Ramona Pop, die aus dem rumänischen Timisoara stammt - und damit, selbst wenn sie sich nicht als Migrantin bezeichnet, nach Kriterien deutscher Statistik dazugehört. Damit ist die Ökopartei mit 21,7 Prozent und damit mehr als einem Fünftel der Fraktion nicht nur absolute Spitze im Abgeordnetenhaus. Es gibt auch keine andere Fraktion, in der EinwanderInnen so wichtige Positionen innehaben wie die grüne Fraktionsvorsitzende Pop.

Auch die SPD hat fünf Abgeordnete nicht deutscher Herkunft - wie die Grünen: Ülker Radziwill, Dilek Kolat und Bilkay Öney sind türkischer, Raed Saleh arabischer Herkunft. Und der Treptower Abgeordnete Robert Schaddach hat einen Kameruner Vater und wuchs in sechs verschiedenen Ländern auf. Dennoch kommt die SPD mit insgesamt 53 Fraktionsmitgliedern nur auf einen "Migrantenanteil" von 9,4 Prozent. Immerhin gehört Dilek Kolat dem Fraktionsvorstand an. Die Linkspartei hat mit drei EinwanderInnen bei insgesamt 22 Abgeordneten mit 13,6 Prozent zwar einen besseren Schnitt als der rote Koalitionspartner, doch einflussreiche Posten haben Giyasettin Sayan, Evrim Baba-Sommer und Kadriye Karci nicht. Bei den Gegnern des Integrationsgesetzes sieht es - wenig überraschend - noch schlechter aus: Eine einzige Abgeordnete nicht deutscher Herkunft hat die 36-köpfige CDU Fraktion- Emine Demirbüken-Wegner gehört dafür immerhin auch dem CDU-Bundesvorstand an. Unter den 11 Fraktionsmitgliedern der FDP findet sich überhaupt kein Migrant.

Doch mit der Verabschiedung des Gesetzes steigen die Erwartungen bei MigrantInnen: Die verantwortlichen Parteien müssten "natürlich nicht nur Gesetze schaffen, sondern darüber hinaus auch in ihren eigenen Reihen deutlich zeigen, dass sie das Gesetz ernst meinen und bei sich selbst anfangen", sagt etwa Hakan Tas. Tas hat als Mitglied des Integrationsbeirats des Landes das Gesetz selbst mit auf den Weg gebracht und kurz vor der Abstimmung im Parlament noch mit einem öffentlichen Aufruf unterstützt. Er erwarte, dass Parteien künftig auch "politisch verantwortliche Positionen mit Migranten besetzen", so Tas: "Ich rede dabei sowohl über Staatssekretäre und Senatoren wie auch über Bezirksbürgermeister und Stadträte." Geeignete Personen nicht deutscher Herkunft für diese Posten gebe es "in allen Parteien", glaubt Tas.

Tatsächlich hat die SPD, die bereits in sieben Bezirken über die KandidatInnen für die Abgeordnetenhauswahl im kommenden September entschieden hat, migrantisch aufgerüstet: Neben den bisher im Parlament Vertretenen treten einige neue Kandiaten an. Etwa der 37-jährige türkeistämmige Ilkin Özisik, der in Mitte auf Bezirkslistenplatz 6 steht. Platz 1 hat Bilkay Öney inne, die erst im Mai 2009 von den Grünen zu den Sozialdemokraten wechselte und noch keinen eigenen Wahlkreis hat. In Friedrichshain-Kreuzberg findet sich der 38-jährige Rechtsanwalt Muharrem Aras auf Listenplatz fünf, und sogar in Neukölln hat es erstmals ein Migrant weit oben auf die SPD-Liste geschafft: Erol Özkaraca, 47 Jahre alt und ebenfalls Anwalt, steht sogar auf Listenplatz 2.

Doch auch wenn die neuen Kandidaten gute Aussichten haben, den Migrantenanteil der SPD-Fraktion in der nächsten Legislaturperiode zu erhöhen: Senatorabel sind sie als Newcomer vorerst nicht. Für verantwortungsvolle Posten kämen aber erfahrenere Kräfte wie etwa die Finanzexpertin Dilek Kolat in Frage, ebenso wie Ülker Radziwill, derzeit sozialpolitische Sprecherin und wie Kolat seit 2001 im Parlament.

Die Linkspartei legt ihre KandiatInnen für die Abgeordnetenhauswahl erst im April fest. Ob aus den bisherigen Fraktionsmitgliedern nicht deutscher Herkunft einE StaatssekretärIn oder einE SenatorIn werden könnte, ist selbst in der eigenen Partei umstritten: Evrim Baba gilt vielen als zu links, Sayan als zu unprofiliert, Kadriye Karci kam erst im Januar 2010 als Nachrückerin für Integrationssenatorin Carola Bluhm ins Parlament und verfügt damit auch noch nicht über ausreichende praktisch-politische Erfahrung.

Es sei "zu früh, über diese Fragen zu diskutieren", sagt Linken-Fraktionsschef Udo Wolf: Bisher stünden nicht einmal die KandidatInnen für die Abgeordnetenhauswahl fest. Man werbe aber aktiv um KandidatInnen nicht deutscher Herkunft, so Wolf. Eine Quote, wie sie einst auch für das Integrationsgesetz im Gespräch war, "halten wir dabei nicht für sinnvoll."

Bei den Sozialdemokraten antwortet die Pressestelle auf eine taz-Anfrage an den Partei- und Fraktionsvorsitzenden Michael Müller: Es gebe Überlegungen, wie man Migranten stärker einbinden könne, so Pressesprecherin Daniela Augenstein. Über konkrete Posten werde aber erst nach der Wahl im September entschieden.

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