Städte und Gemeinden in Not: Das riesige Finanzloch

In Hamburg werden Museen teuer und Wuppertal macht sein Schauspielhaus dicht. Vielen Kommunen droht im kommenden Jahr der Bankrott. Da hilft auch kein Sparen.

Schluss mit Planschen: Kommunen müssen sparen - einige tun dies bei ihren Schwimmbädern. Bild: optische_taeuschung – Lizenz: cc-by-sa

HAMBURG taz | Trotz Aufschwung und höherer Steuereinnahmen vergrößert sich das Finanzdefizit der Kommunen. Allein in den ersten drei Quartalen fehlten den Kämmerern 9,2 Milliarden Euro in den Kassen, meldete diese Woche das Statistische Bundesamt. Ohne eine grundlegende Neuordnung der Finanzierung droht 2011 vielen Gemeinden und Städten die Pleite.

"Arm, ärmer, Kommunen?" – mit dieser Frage machte kürzlich die Fachzeitung für öffentliche Haushalte auf. "Nein", antwortet die Bundesregierung. "Die Kommunen gefallen sich teilweise in ihrer Opferrolle", sagte der zuständige Finanzstaatssekretär Hans Beus. "Damit machen sie sich kleiner, als sie sind."

Doch selbst in Hamburg, einer der reichsten Metropolen Europas, wird befürchtet, dass sich die Stadt bald nicht mehr alle vier historischen Museen leisten kann. Im strukturschwachen Wuppertal soll 2012 das Schauspielhaus geschlossen werden. Und unterhalb des Feldbergs im Schwarzwald können manche Gemeinden noch nicht genug Geld aufbringen, um die Schlaglöcher aus dem letzten Winter notdürftig zu flicken.

Die nordrhein-westfälischen Städte Gütersloh, Sankt Augustin und Stolberg haben nicht viel miteinander zu tun. Doch alle drei setzen zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung ihre Hoffnungen auf einen "Bürgerhaushalt". Bürger dürfen in diesen Städten an der Gestaltung der Haushalte teilhaben. Bundesweit können in mehr als 50 Kommunen Einwohner Sparvorschläge unterbreiten. Meist per Internet. Die Resonanz scheint eher sparsam. Die Gütersloher können nun bis einschließlich heute über immerhin 328 Vorschläge abstimmen. Das fertige Meinungsbild wird im Januar dem Rat der Stadt zur Haushaltsberatung vorgelegt. (hape)

Die KfW-Bank rechnet zum Jahreswechsel mit einem Rekorddefizit. Die Haushaltslage der meisten Kommunen bleibt "prekär", ergab eine Umfrage unter gut 1.750 Städten und Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern. "Viele Gemeinden sind derzeit finanziell kaum noch handlungsfähig", so die staatliche Förderbank.

Axel Troost, Ökonom und Finanzfachmann der Linksfraktion im Bundestag, warnt vor einem "strukturellen Defizit": Die Einnahmen seien grundsätzlich zu niedrig für die Fülle der gestellten Aufgaben.

Schon von 2000 bis 2009 hätten die rot-grünen Steuerreformen in den Kommunen ein Finanzloch gerissen, sagt Troost. Ihnen seien Einnahmen in Höhe von gut 25 Milliarden Euro verloren gegangen. Ein Jahr unter Schwarz-Gelb, so rechnet er weiter vor, habe weitere 3,3 Milliarden Euro gekostet, und im kommenden Jahr würden weitere 1,5 Milliarden Euro fehlen.

Auf ähnliche Finanzlücken sind auch parteiunabhängige Wissenschaftler gestoßen, etwa das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie (IMK) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Doch trotz schwächelnder Einnahmen wuchsen die Aufgaben. Die Gemeinden müssen das kommunale Straßennetz instand halten, für Kindergärten, Schulen und Schwimmbäder sorgen, sie betreuen Feuerwehr, Musikschule und Sportverein.

Der Deutsche Städte- und Gemeindetag beklagt, dass für diesen Aufgabenberg die Kosten in den letzten Jahren gewachsen sind und zudem die Sozialausgaben explodieren. Diese seien in der vergangenen Dekade von 21 auf 42 Milliarden Euro gestiegen. Und auch 2011 werden sie zunehmen

Sparen hilft angesichts des strukturellen Problems nur bedingt weiter. "Wir führen lange Diskussionen, um durch Schließung einer Galerie 100.000 Euro einzusparen, und bekommen kurz danach Millionenlasten für Sozialausgaben aufgedrückt", klagt Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig den Bund an. Albigs Partei, die SPD, fordert denn auch eine erneute Ausweitung der Gewerbesteuer. Erst die schwarz-gelbe Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel habe Mieten und Pachten weitgehend aus der Berechnung herausgenommen.

Die Gewerbesteuer wird es allerdings allein nicht richten können. Sie macht nur 26 Milliarden Euro und damit etwa 15 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus. Troost will - wie die Grünen - mehr.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission solle die Kommunen von Aufgaben entlasten und ihnen höhere Einnahmen zubilligen, meint der Linkenpolitiker. "Es muss festgelegt werden, dass am Ende mehr für die Kommunen herauskommt, und zwar muss für sie das herauskommen, was in den letzten Jahren durch Steuersenkungen genommen wurde."

Angesichts der ebenfalls klammen Finanzlage von Bund und Ländern, die 65 Milliarden jährlich an die Gemeinden überweisen, will aber auch Troost zunächst bei der Gewerbesteuer ansetzen und etwa wie die Sozialdemokraten die Bemessungsgrundlage verbreitern. Darüber hinaus will er auch "freie Berufe" steuerpflichtig machen.

Ein ungelöstes Problem bleibt jedoch die regionale Streuung. Denn obgleich die Mehrheit der Kommunen klamm ist, sind andere steinreich. Dabei gibt es ein Nord-Süd- und ein Ost-West-Gefälle. Elf Prozent der von der KfW-Bank befragten Kommunen – vorwiegend kleinere und mittelgroße – beurteilen ihre Finanzlage als "gut" oder "sehr gut". Woanders reicht das Geld nicht einmal für den Kindergarten, trotz neuer Schulden.

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