Zusammenstoß mit der Polizei: Der falsche Finger

Ein 35-Jähriger wird am Braunschweiger Bahnhof von einem Polizei-Bully angefahren und schwer verletzt - er hatte den Polizisten zuvor den Stinkefinger gezeigt.

Stinkefinger: kann in Braunschweig schlimme Folgen haben. Bild: dpa

Überfahren oder "nur" zusammengestoßen? Vorsatz oder Unglück? Beim Crash mit einem Streifenwagen ist in Braunschweig ein Mann lebensgefährlich verletzt worden. Während Zeugen schwere Vorwürfe gegen die Polizisten erheben, spricht die Polizei von einem "tragischen Unfall". Sicher ist: Gegen den Fahrer des Polizeifahrzeugs laufen Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Das Unglück habe sich gegen 0.35 Uhr in der Nacht zum vergangenen Sonntag ereignet, sagt Braunschweigs Polizeisprecher Wolfgang Klages der taz. Am Berliner Platz gegenüber des Braunschweiger Hauptbahnhofs sei der mit zwei Polizisten besetzte VW-Bully "älteren Baujahrs" an einer Gruppe Fußgänger vorbeigefahren.

Ein Mann aus der Gruppe habe den Polizisten den gestreckten Mittelfinger gezeigt. Der Fahrer habe das Fahrzeug gewendet, um die Person zur Rede zu stellen. "Das musste als Beleidigung aufgefasst werden", sagt Klages. Unmittelbar nach dem Wendemanöver sei der "vermutlich alkoholisierte" Mann auf die Fahrbahn und seitlich gegen das Polizeifahrzeug gelaufen.

"Der Zusammenstoß erfolgte links vorne am Streifenwagen", erklärt Klages. Vermutlich beim Sturz auf das Straßenpflaster habe sich der Mann schwerste Kopfverletzungen zugezogen. Der 35-Jährige schwebt in Lebensgefahr, er wird im Städtischen Klinikum behandelt.

"Die Beamten haben den Mann nicht überfahren oder überrollt", bekräftigt Klages. Gleichwohl geriet der Mann nach dem Zusammenstoß teilweise unter das Fahrzeug, das angehoben werden musste, um ihn zu bergen. "Mehr als einen Unfall da hineinzuinterpretieren wäre zumindest fahrlässig", so Klages. Der Polizei in Braunschweig gehe das Geschehen sehr nahe, man gehe nach dem tragischen Unglück "nicht einfach zur Tagesordnung über".

Ganz anders als Polizeisprecher Klages stellte der Augenzeuge Nico Buttmann die Geschehnisse in der Braunschweiger Zeitung dar. Er sei in der Nacht zu Sonntag mit dem Opfer zusammengewesen: "Das Polizeiauto hat unseren Freund frontal erfasst und überrollt". Dies hätten vier weitere Zeugen genau so gesehen. Zum Beleg seiner Behauptung führte Buttmann an, dass der Verletzte nach dem Zusammenstoß auf dem Rücken unter dem Bully lag, und dass er eingeklemmt und bewusstlos war.

Buttmann bestätigte, dass sein Freund den vorbeifahrenden Polizisten den gestreckten Mittelfinger gezeigt hat. "Warum, weiß ich nicht. Diese Darstellung der Polizei stimmt", sagte er der Braunschweiger Zeitung zufolge. Statt sofort anzuhalten, seien die Beamten aber noch zehn bis 20 Meter weitergefahren und hätten dann eine "Kojak-Wende" hingelegt: "Wegen einer Bagatelle. Sie haben nicht einen Mörder oder Bankräuber gejagt."

Das spätere Opfer sei auch nicht in den Polizeiwagen gelaufen, sondern in normaler Geschwindigkeit in Richtung Bahnhof gegangen. "Die Polizisten sind bewusst forsch hinter ihm hergefahren und wollten ihn mit dem Auto einfangen", sagt Buttmann.

Nach seiner Darstellung haben sich die Polizisten geweigert, vor Ort Aussagen der Begleiter des Opfers aufzunehmen: "Als ich den Polizisten erklärte, zwei von ihnen hätten den Mann umgefahren, wurden wir bezichtigt, die Ermittlungen zu gefährden. Ich habe den Verdacht, dass die Ermittlungen verschleppt werden." Der Vater des Opfers hat angekündigt, eine Anzeige stellen zu wollen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.