Wahlbeobachter in Äthiopien: Kritischer Wahlbericht wird öffentlich

Erst ein halbes Jahr nach den Parlamentswahlen in Äthiopien wird der Bericht von EU-Wahlbeobachtern in Brüssel veröffentlicht. Die Präsentation in Addis Abeba war nicht möglich.

Junge Frauen bei einer Wahlkampfveranstaltung der Regierungspartei EPRDF im Mai 2010. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Normalerweise werden Berichte internationaler Wahlbeobachter im Land des Geschehens veröffentlicht, und zwar zeitnah zur Wahl. Bei der EU-Beobachtermission in Äthiopien ist dies nicht der Fall. Die Parlamentswahlen dort fanden am 23. Mai statt, aber erst jetzt wurde der Bericht darüber veröffentlicht, und zwar nicht in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, sondern in Brüssel.

Das sei "beispiellos", sagte der Chef der Wahlbeobachtermission, der niederländische Sozialist Thijs Berman, auf der Pressekonferenz in Brüssel am Montagnachmittag. In Addis Abeba durften die EU-Beobachter keine Pressekonferenz abhalten, obwohl sie auf Einladung der äthiopischen Regierung die Wahlen beobachtet hatten. Ihr Bericht war schon Anfang August fertig, aber es folgten monatelange Verhandlungen mit der äthiopischen Regierung. Das Scheitern dieser Verhandlungen führte nun zur Präsentation des Berichts in Brüssel.

Hintergrund ist vermutlich der Inhalt des Berichts, der sehr kritisch ausfällt. "Diese Wahlen haben den internationalen Kriterien für demokratische Wahlen nicht entsprochen", erklärt Berman. Die Regierungspartei EPRDF (Revolutionäre Demokratische Front des Äthiopischen Volkes) habe den Staatsapparat als Wahlkampfapparat benutzt. "Versammlungs-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit wurden nicht respektiert, zum Nachteil der Oppositionsparteien", so der Bericht. "In 13 Prozent der Wahllokale verzeichneten Beobachter eine Form von Überwachung, Einschüchterung oder versuchter Beeinflussung der Wähler. In 15 Prozent der Wahllokale wurden die Wählerkarten nach Gebrauch nicht vernichtet."

Der niederländische Beobachterchef Berman sagt der taz, die Wahlen seien von "mangelnder Transparenz" gekennzeichnet gewesen. "In 27 Prozent der beobachteten Fälle waren die in den Wahllokalen verkündeten Ergebnisse andere als die Endergebnisse", sagt er. "Ich kann nicht sagen, woher die Differenzen kommen, aber wir stellen fest, dass es sie gab. Ob es Betrug gegeben hat oder nicht, muss untersucht werden." Der Wahlbeobachterchef wundert sich auch, dass in der Hälfte der von den 170 EU-Beobachtern besuchten Wahllokale die jeweiligen Ergebnisse nicht ausgehängt wurden, obwohl dies vom Gesetz vorgesehen war.

Die EPRDF gewann bei der Parlamentswahl 544 von 547 Sitzen. 2005 waren es noch 326 von 546 Sitzen gewesen; die damals in Erscheinung getretene parlamentarische Opposition ist praktisch wieder verschwunden. Einziger Lichtblick, auch von den EU-Beobachtern anerkannt: Wahlkampf und Wahltag waren friedlich und ruhig, im Gegensatz zur Gewalt 2005.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.