Größte Überschwemmungen seit 50 Jahren: Westafrika steht unter Wasser

1,5 Millionen Menschen in Benin, Nigeria,Togo und Ghana sind nach Dauerregen von Fluten betroffen. Nun droht eine Choleraepidemie. Die internationale Hilfe lässt auf sich warten.

In Nigeria, in der Nähe von Lagos, rudert ein Mann in den überschwemmten Straßen. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit einer Luftbrücke will das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in den kommenden Tagen beginnen, den Opfern der schwersten Überschwemmungen im westafrikanischen Benin seit fast 50 Jahren zu Hilfe zu kommen. Nach wochenlangen heftigen Regenfällen stehen rund zwei Drittel des Landes ganz oder teilweise unter Wasser, ganze Dörfer wurden verschluckt. Rund 680.000 Menschen sind obdachlos.

Besonders stark betroffen in Benin sowie in den Nachbarländern Nigeria und Niger sind die Regionen entlang des Niger-Flusses. Dazu kommt das Einzugsgebiet des Volta-Flusses in Togo und Ghana und Dauerregen in den Küstenregionen.

"Es sind die schwersten Fluten seit den 1960er Jahren", erklärte die Generalsekretärin des katholischen Hilfswerks Caritas-Benin, Léonie Dochamou. "Das Land ist vernichtet, das bisschen humanitäre Hilfe reicht nicht aus." 55 von 77 Landkreisen seien betroffen, 25.000 Hektar Ackerfläche stünden unter Wasser.

In Nigeria ist aufgrund der Fluten eine Choleraepidemie unbekannten Ausmaßes ausgebrochen. Die UNO verdoppelte am gestrigen Montag ihre Schätzungen der Choleratoten in Nigeria auf 1.500, aber bereits vor drei Wochen hatte sie von 1.182 Toten gesprochen.

Ähnlich unstimmige Zählungen gibt es für die Zahl der Flutopfer selbst, die in Benin seit mehreren Wochen stabil mit 43 angegeben wird, obwohl die Zahl der Betroffenen ständig steigt. Die Westafrika-Zentrale des UN-Koordinationsbüros für humanitäre Hilfe (Ocha) in Senegal bilanzierte vor einer Woche, die Überschwemmungen in der gesamten Region hätten 377 Tote gefordert, davon 118 in Nigeria und 52 in Ghana. Auch Kamerun und Sudan sind in dieser Auflistung einberechnet. In ganz Westafrika sind laut Ocha knapp 1,5 Millionen Menschen von den Fluten betroffen, gegenüber rund 800.000 im vergangenen Jahr.

Das Wasser steigt schon seit einem Monat, aber internationale Hilfe lässt auf sich warten. Die Regierungen der Region haben nicht Alarm geschlagen, und anders als viele Regionen Afrikas beherbergt dieser Teil Westafrikas keine gut ausgebaute Infrastruktur von UN-Hilfswerken, weil es hier keine bewaffneten Konflikte gibt.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Benin erklärte am 14. Oktober, es verfüge über 50 Zelte und erwarte 50 weitere, brauche aber eigentlich 10.000, wenn es sich um Flutopfer kümmern solle. Eigentlich betreut das UNHCR in Benin rund 7.000 togoische Flüchtlinge.

Jetzt erst, mit mehreren Wochen Verspätung, schaltet es sich in die Hilfe für hundertmal so viele Flutopfer ein. Ansonsten kümmern sich vor allem religiöse Hilfswerke sowie das Rote Kreuz um die Überschwemmungsopfer; in Nigeria sind auch die Regierungen der betroffenen Bundesstaaten aktiv.

In der Presse Benins findet der Regen kaum Niederschlag, außer wenn Politiker sich sorgen, dass die Fluten die laufende Registrierung für die Wahlen 2011 stören könnten. Schwere Überschwemmungen gibt es in Benin fast jedes Jahr - 2009 waren 43 der 77 Kreise des Landes betroffen, gegenüber 55 heute; 2007 forderten Fluten 144 Menschenleben, mehr als dieses Jahr bisher gezählt worden sind.

Allerdings werden die Regenfälle jedes Jahr noch heftiger, und das offenkundige Unvermögen der Regierung von Präsident Yayi Boni, damit umzugehen, ist jetzt ein Wahlkampfargument des Oppositionsbündnisses UN (Union für die Nation).

In Ghana machen sich die Behörden Sorgen um den Volta-Staudamm, wichtigste Energiequelle des Landes. Der riesige Volta-Stausee sei zum Bersten voll, man müsse jetzt zum ersten Mal seit zwanzig Jahren dringend Wasser ablassen, um eine Katastrophe zu verhindern, erklärte die zuständige Behörde VRA (Volta River Authority) vergangene Woche. Ghana Behörden appellieren jetzt an 177.000 flussabwärts lebende Menschen bis hinunter nach Accra, sich vorsorglich in Sicherheit zu bringen, offenbar bisher noch ohne Erfolg.

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