Al-Dschasira über Militärdokumente: Späte Genugtuung

Irakische Besatzungesgegner begrüßen die Aufmerksamkeit der westlichen Medien. Doch die Regierung von Nuri al-Maliki gerät wegen ihrer Verwicklungen in Erklärungsnot.

Schockiert dürften viele Iraker über die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente nicht sein. Bild: dpa

KAIRO taz | Neue Hinweise über die Zahl der getöteten Zivilisten im Irakkrieg, Indizien für die Verwicklung des irakischen Premiers Nuri al-Maliki in die Operationen von Todesschwadronen und Folter in Gefängnissen, Beweise für die iranische Einflussnahme im Irak und über die Verbrechen privater Sicherheitsdienste wie Blackwater - die Veröffentlichung der einst klassifizierten US-Militärdokumente seitens der Internetplattform Wikileaks ist der Stoff für arabische Sondersendungen.

Vor allem der arabische Fernsehsender al-Dschasira überschlägt sich seit dem Wochenende mit Kurzdokumentationen und Interviews zu den Wikileaks-Dokumenten."Das bedeutet uns viel. Die irakischen Aufständischen gegen die Besatzung haben diese Dinge immer wieder dokumentiert, aber wir wurden nie von den großen westlichen Medien ernstgenommen, jetzt, mit der Veröffentlichung der US-Dokumente, zeigt sich für alle, dass wir die ganze Zeit recht hatten", sagt dort etwa Muthanna Harith al-Dari von der Vereinigung Muslimischer Rechtsgelehrter im Irak", die den Aufständischen nahestand.

So stellt das Ganze für viele, vor allem sunnitische Iraker, die die Aufständischen unterstützt hatten, weniger eine Überraschung, als vielmehr eine späte Genugtuung dar. Dennoch sind die veröffentlichten Dokumente eine innenpolitische Zeitbombe. Seit den Wahlen im März haben es die irakischen Politiker nicht geschafft, eine Regierung zu bilden. Das Land ist polarisiert zwischen dem bisherigen Ministerpräsidenten al-Maliki mit seiner Koalition religiöser schiitischer Parteien und dem säkularen Irakia-Block Ajad Alawis, der auch die Unterstützung der Mehrheit der Sunniten genießt. Vor allem nachdem al-Maliki den Prediger Muktada Sadr und dessen Anhänger auf seine Seite gezogen hat, steht er bei der Regierungsbildung in der Pole-Position.

Doch mit den Wikileaks-Veröffentlichungen versuchen seine Rivalen, dies als Beleg zu präsentieren, dass er sich nicht als Regierungschef eignet. Im Zentrum steht die Frage, ob und wie sehr al-Maliki in die Ermordung und Folter mutmaßlicher sunnitischer Aufständischer seitens schiitischer Milizen verwickelt war. Al-Malikis Büro gab eine Erklärung heraus, in der es heißt, dass die Wikileaks-Dokumente kein Beweis seien, dass die Folter in seiner Amtszeit seit Mai 2006 geschehen sei. Zuvor hatte allerdings einer seiner Sprecher zugegeben, dass es Menschenrechtsverletzungen gegeben habe, die aber nicht die offizielle Politik widergespiegelt hätten und bestraft worden seien. Es ist allerdings kein einziger Fall bekannt, in dem dies damals geschehen ist.

Alawis Lager dagegen versucht die Idee einer Regierung der Nationalen Einheit voranzutreiben. Die Dokumente zeigten, wie wichtig ein System der Machtteilung sei. "Die Tatsache, dass alle Macht der Sicherheitsapparate bei einer Person zusammenlaufen, hat zu diesen Misshandlungen und zur Folter in den irakischen Gefängnissen geführt", sagte die Sprecherin des Irakia-Blocks, Majsun al-Damludschi. "Al-Maliki will weiterhin alle Macht in seinen Händen vereinen", fügt sie hinzu.

Wenn nicht al-Maliki selbst, sind zumindest Mitglieder seiner Koalition in die Foltervorwürfe verwickelt. Sowohl die Vertreter der einstigen schiitischen Badr-Milizen, als auch die Mahdi-Armee Muktada Sadrs zählen zu seinen Verbündeten. Die meisten der Folterungen und Exekutionen in den irakischen Gefängnissen gehen auf den Sommer 2005 zurück, als das Innenministerium und die Gefängnisverwaltung von Badr-Milizen und der Mahdi-Armee unterwandert war.

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