Das Ende des Postamts: "Auf einmal ist die Filiale beim Frisör"

Die Post hat ihr Briefgeschäft in Bäckereien und Banken ausgelagert. Für Kunden heißt das mehr Service, für die Beamten Lächellehrgänge und Verkaufsdruck. Ein Postler packt aus.

Wo Post dran steht, ist längst nicht mehr nur Post drin. Bild: deutsche post ag

Das folgende Protokoll ist nach mehreren Gesprächen mit einem Filialleiter der Deutschen Post entstanden. Seinen Namen kann er nicht nennen. Wie andere Mitarbeiter des Konzerns musste er unterschreiben, dass er nicht mit Journalisten spricht.

„Am Anfang haben wir das noch eingesehen. Wenn eine Postfiliale auf dem Land bloß drei Stunden offen hat und an manchen Tagen gar nicht, ist das ein Vorteil für die Leute, wenn man das Briefgeschäft in einen Lebensmittelladen oder eine Bäckerei verlegt. Völlig klar, das war ja alles schön. So wollten das die neuen McKinsey-Manager damals, nach der Privatisierung. Die ersten kleinen Postämter sind also 1993 und 1994 in sogenannte Partneragenturen umgewandelt worden. Da stand dann ein Postschalter neben der Brötchentheke oder dem Regal mit den Gurkengläsern.

Ich musste diese Postämter in Filialen umwandeln. Es gab die Vorgabe, im Umkreis von zwei Kilometern eine Filiale zu halten. Die Regionalleitungen sagten, welche Ämter geschlossen werden sollten. Es hieß ja: umgewandelt.

Als wir anfingen, war es auf dem Land relativ leicht, einen Partner zu finden. Ein paar Quadratmeter für einen Schalter hatte jeder Laden noch Platz. Die Betreiber der neuen Postagenturen mussten geschult werden. Die alten Beamten der Post haben sie ausgebildet. Die mussten alles lernen, die Grundkenntnisse des Schalters. Das normale Geschäft haben sie einwandfrei abgewickelt, Briefmarken, Einschreiben. Aber sobald es ums Spezielle ging, wurde es schwierig.

Vor allem beim Bankgeschäft standen die Partner mit dem Hintern an der Wand, weil sie haftbar waren für das Geld. Darauf waren sie nach ein paar Wochen Grundausbildung natürlich mangelhaft vorbereitet. Wenn Beschwerden kamen, bin ich hingefahren und hab ihnen das noch mal erklärt. An den Filialen steht ja nach wie vor Post dran. Vielen Leuten ist deshalb gar nicht klar, dass das keine Post ist.

Bei den Coachings, abends, in irgendwelchen Gemeindezentren, habe ich mit diesen Geschäftsleuten keine Spielchen gemacht, wie man verkauft. Das waren ausgebildete Verkäufer. Die konnten das besser als wir alten Postler.

Größere Kartenansicht Die Post in Berlin. Legende: große gelbe Punkte: die letzten eigenen Postfilialen in Berlin || blaue Punkte: Postbank Finanzcenter || kleine gelbe Punkte: Partnerfilialen der Post in Geschäften, Bäckereien etc. || lila Punkte: Verkaufspunkte mit kleinem Angebot || Alle Adressen finden Sie hier

In der Zeit gab es auch diese Lächellehrgänge. Die Beamten sollten lernen, wie man freundlicher ist. Aber dieses falsche Lächeln, dieses amerikanische-schleimige, das passt nicht. Also tut mir leid. Wenn mich jemand nervt, setze ich strategisch meinen bösen Blick ein.

In der Postschule war uns noch beigebracht worden, dass der Mensch, der in die Post kommt, ein Postbenutzer ist. Der möchte Nachrichten von A nach B versenden und wir sind die Behörde, die sicherstellt, dass das ordnungsgemäß geschieht. Der Staat hat die hoheitsrechtliche Aufgabe, die Nachricht zu übermitteln. Der Benutzer wollte was von diesem Staat. Weitaus später kam dann mit der Privatisierung der Begriff Postkunde.

Als wir als Lehrlinge angefangen haben, haben wir einen Kugelschreiber gekriegt, ein Handtuch und ein Stück Seife. Man bekamen bei der Post Klamotten, dunkelblau, schwerer Stoff, mit Knöpfen. Da war man wer. Da saß hinterm Schalter eine Amtsperson. Der Postbenutzer wusste hundertprozentig, der da vorne bescheißt ihn nicht. Wenn der zu viel Geld kriegt, gibt er ihm das wieder.

Das neue Konzept nannte sich seit Mitte der 90er Open Service. Wir sollten den Kunden alles mögliche andrehen: Versicherungen, Girokonten der Postbank. Die Philosophie war: verkaufen, verkaufen, verkaufen. Es hieß: ansprechen, ansprechen, ansprechen. Das mit den Girokonten ließ sich bei uns aber gar nicht durchsetzen, weil meist dieselben Leute kamen. Die lassen sich nicht jedes Mal einen Stromvertrag aufschwatzen.

Schließung: Die Zahl der Postfilialen sinkt. Die Filialen mit Fremdpersonal nehmen zu. Alle Daten sehen Sie auch hier

Die Schließung der Postämter geht immer weiter. Auf einmal ist die neue Filiale beim Frisör. Als Kunde stehen Sie heute in den großen Niederlassungen Schlange und warten und warten und warten. Wo früher fünf Schalter waren, sind jetzt zwei.

Wir haben erst noch gedacht: In den Großstädten werden sie das nicht machen. Haben sie aber. Nur bei manchen Ämtern hat man festgestellt, dass man die nicht ohne weiteres platt machen kann, weil die keiner übernimmt. Im Sommer hat die Post dann für eine nicht gerade kleine Summe die meisten der letzten eigenen Filialen an die Postbank verscheuert. Die wird natürlich versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Selbst wenn die Post also keine eigenen Filialen mehr hat, werden die Leute das gar nicht merken. Es gibt ja immer noch die Postbank Finanzcenter, die ihnen wie Postämter vorkommen.

Versorgung: Die Fläche, für die eine einzelne Postfiliale zuständig ist, wächst Jahr für Jahr. Genauso wie die Zahl der Einwohner pro Filiale.

Manche Kollegen mussten in die Postbank Finanzcenter wechseln. Wenn ich jetzt höre, dass in all den Filialen der Postbank Leute jeden Morgen zum Appell antreten müssen und ganz bestimmte Ziele erreichen, dann ist das amerikanischer Spätkapitalismus oder Wal-Mart-Manier oder Aldi oder wie Sie das auch immer nennen wollen. Das weiß ich aus erster Hand von Leuten, die das Insiderwissen haben. Der Druck ist da und wird von oben aufgebaut. In meinen Augen ist das schon Mobbing.

Bei uns in den Postämtern hat das irgendwann aufgehört. War eh längst klar, dass sie uns dichtmachen.“

Was der Postmanager denkt, der die Umwandlung vorangetrieben hat, wie Politik und Kunden darauf reagierten und was ein anderer Filialleiter vom Open Service hält, lesen Sie auf einer Doppelseite in der aktuellen sonntaz vom 16./17. Oktober 2010. Die sonntaz gibt es ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Und sie kommt zu Ihnen nach Hause, per Wochenendabo.

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