AKW-Laufzeitverlängerung: CDU verweigert Klarheit im Atomkessel

Welche Risiken birgt eine Reaktor-Laufzeit von 30 Jahren? Das könnte eine Analyse des abgeschalteten Akw Obrigheim zeigen. Nur: Die Regierung im Ländle sperrt sich.

AKW Obrigheim: Wie stark sind seine Stahlkomponenten unter der dauerhaften Bestrahlung versprödet? Bild: dpa

FREIBURG taz | Das im Mai 2005 stillgelegte Atomkraftwerk Obrigheim böte eine einmalige Chance: Da der Reaktor 36 Jahre in Betrieb war, könnte eine Analyse der Kraftwerkskomponenten beim Rückbau wertvolle Hinweise für die Reaktorsicherheit liefern. Doch das Stuttgarter Umweltministerium sperrt sich: CDU-Landesumweltministerin Tanja Gönner erwartet "keinen nutzbaren Erkenntnisgewinn".

Die Grünen im Landtag wollen, dass das Ausmaß der Versprödung einzelner Teile, insbesondere des Reaktordruckbehälters, untersucht wird. Aus ihrer Sicht lassen sich so "wichtige sicherheitstechnische Erkenntnisse für im In- und Ausland noch am Netz befindliche ältere Reaktoren gewinnen".

Doch die Umweltministerin beruft sich darauf, dass "entsprechende Untersuchungen zum Werkstoffzustand einzelner Bauteile bereits während des Betriebes der Anlage" erfolgt seien, und dass weitere Untersuchungen "keine Ergebnisse liefern, die für andere Kernkraftwerke in Deutschland von Relevanz wären". Ganz abgesehen davon biete "das Atomgesetz keine rechtliche Grundlage für entsprechende Forderungen gegenüber dem Betreiber". Auflagen zur Analyse der Kraftwerkskomponenten beim Rückbau seien "rechtlich nicht möglich".

Auch seien solche Untersuchungen mit erheblichen Kosten verbunden, sagt Gönner. Darüber wiederum wundert sich Franz Untersteller, der energiepolitische Sprecher und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen. Schließlich habe Gönner in der Vergangenheit immer betont, dass Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit gehe. So zeige der Vorfall, "welch geringen Stellenwert die Sicherheit kerntechnischer Anlagen für die CDU in Baden-Württemberg hat".

Auch die Behauptung, die Untersuchungen würden keine relevanten Ergebnisse bringen, lässt Untersteller nicht gelten: Es gehe nicht um die unmittelbare Übertragbarkeit auf andere deutsche Atomkraftwerke, sondern "um die Weiterentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik allgemein, also die Verifizierung von Modellen und Rechencodes des Kerntechnischen Regelwerks."

Der sicherheitstechnische Zustand des Kraftwerks Obrigheim war bis zuletzt umstritten. In der Zeit von März 1994 bis Januar 1996 nahm ein vom Landtag einberufener Untersuchungsauschuss die sicherheitstechnische Auslegung des Meilers unter die Lupe. Zentral war dabei immer die nun erneut aufgeworfene Frage, wie sehr die Stahlkomponenten unter der dauerhaften Bestrahlung verspröden. Die Ergebnisse einer neuen Materialanalyse könnten für die Landesregierung ungemütlich werden: Sie stützte den Betrieb des Meilers trotz aller Sicherheitsbedenken bis zuletzt. BERNWARD JANZING

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.