Friedensfestival auf dem Alexanderplatz: Frieden ist die Krönung

Drei Tage warben, sangen und beteten Initiativen auf dem Alexanderplatz für den Frieden. Mit dabei: Veganer, Sufis und Toiletten-Aktivisten.

Carsten hat es wahrlich nicht leicht. Im pink Overall mit umgeschnallter Schweinsnase und Pappohren auf der Glatze steht der Berliner vor seinem Stand von "Berlin vegan". "Leben und leben lassen - go vegan", steht auf dem Schild, das um seinen Hals baumelt. Und dann räuchert da der bestens frequentierte Bratwurststand mit Nackensteaks und Currywürsten herüber. Etwas übel werde ihm davon schon, gesteht Carsten. Aber er stehe ja für Gewaltfreiheit ein. Deshalb toleriere er sogar die Bratwurstwender nebenan.

Es ist ein zusammengewürfeltes Vielerlei, das Friedensfestival, das sich mit seinen kleinen weißen Infobuden am Wochenende auf dem Alexanderplatz niedergelassen hat. Fünfundfünfzig Initiativen seien dabei, erzählt Organisatorin Ina Edelkraut. Ziel sei es, Menschen vorzustellen, "die sich für uns engagieren und mit denen man sich engagieren kann". Für den Frieden, auf welchem Weg auch immer. Es ist die zweite Auflage des Festivals, das 2009 vor dem Brandenburger Tor residierte.

Diesmal reihen sich Stände von Greenpeace und Mehr Demokratie, Pro Afrika und dem Berliner Wassertisch, der Partei der Vernunft und dem Weltfriedensdienst aneinander. Auch die taz ist dabei. Ein Mönch im sattroten Gewand fordert Frieden in Burma, am Tisch von "Wir gemeinsam" gibt es kostenlose Umarmungen. Und die German Toilet Organization wirbt für mehr Sanitäranlagen in der Welt. Slogan: "Toilette bedeutet Würde". Weltweit würden mehr als 2,6 Milliarden Menschen "toilett-less" leben, teilen die Aktivisten mit. Dagegen können sich Friedensfestival-Besucher vor einem Aufsteller fotografieren lassen, neben einer Sprechblase mit der Forderung nach "Toiletten für alle".

Locker flanieren Touristen und Extraangereiste zwischen den Buden, auch auf den Bierbänken vor der Bühne mit dem großen Gandhi-Bild ist noch Platz. Johnny Berlin spielt gerade Country, später wirbt ein Schwarzgekleideter mit weißem Zopf für Nachhaltigkeit und Selbstversorgung.

Und weiter hinten steht Carsten in seinem Schweinekostüm. Veganismus sei deshalb Frieden, weil er sich für Gewaltlosigkeit gegenüber Tieren und gegen deren Ausbeutung ausspreche. Ein Frieden, der leicht zu haben sei, wirbt Carsten, da Fleischessen ja keinesfalls lebensnotwendig sei. "Warum beginnt unser Respekt gegenüber anderen nicht schon bei Tieren, die auch schmerz- und leidensfähig sind?"

Frieden ist ein weitgedehnter Nenner auf diesem Festival. Aber was heißt auch schon Frieden? Lutz Schaidhammer - brauner Hut, Muskelshirt, Cordhose - stellt nur diese eine Frage, das ist sein Beitrag zum Fest. Auf Decken und Stroh sitzt der Wagendörfler aus Karow. Aus einer Schale räuchern glimmendes Lavendel, Weihrauch und Salbei: "für die Atmosphäre hier". Neben Schaidhammer können Besucher ihre Friedensdefinitionen an einen Holzverschlag pinnen. "Alle reden über Frieden, aber was sie darunter verstehen, ist völlig unklar." Er wisse das ja selbst nicht mal so richtig, gesteht Schaidhammer. Selbstzufriedenheit nach innen und Toleranz nach außen, damit habe Frieden jedenfalls etwas zu tun.

Uschi Bauer verteilt derweil goldene Pappkronen - an Festivalbesucher und Touris. Und für das bedingungslose Grundeinkommen. "Als Erinnerung, dass wir alle der Souverän sind", so die blonde Lörracherin. Das Grundeinkommen sei ein Weg, diese Gleichwertigkeit wiederherzustellen und den sozialen Frieden. "Keiner würde mehr ins Bodenlose fallen, jeder könnte frei entscheiden, wie er sich in die Gesellschaft einbringt." 1.500 Euro Grundeinkommen schweben Bauer vor, "keine Almosen". Anfang November wollen die Aktivisten eine Großdemo in Berlin mit 100.000 Leuten veranstalten. "Total sicher" sei sie, dass so viele zusammenkämen, so Bauer. "Das Grundeinkommen muss von unten kommen."

Rainer Becker setzt auf weniger Aktionismus. Der 28-Jährige mit dem orientalischen Fes und der violetten Weste steht am Stand des Sufizentrums Neukölln. Schon sein "salam aleikum" trägt Frieden in sich. "Wer wahrhaft Gott sucht, wird sich auch für den Frieden einsetzen", ist Becker überzeugt. Die Militanz der Islamisten habe mit dem Salafismus nichts zu tun. Im Gegenteil verbinde sein Glaube Muslime, Christen und Juden, da er nur einen Gott predige. Zentral sei der Respekt gegenüber allen Menschen, schließlich wohne Gott in jedem. Es sei diese Botschaft, erzählt Becker, die ihn vor einem Jahr zum Sufismus habe wechseln lassen. Obwohl sein Vater neuapostolischer Pastor sei.

Organisatorin Ina Edelkraut sitzt vorne neben der Bühne, nicht unzufrieden, auch wenn sie sich ein paar mehr Interessierte gewünscht hätte. Dafür erlebe man auf dem dreitägigen Festival Diskussionen "über den Mainstream hinaus", so die 45-Jährige. Es komme nun darauf an, all diese Initiativen zu einer "kritischen Masse" zu vernetzen. Vielleicht würde danach auch endlich die UN-Charta der Menschenrechte konsequent eingehalten. Dann herrschte nämlich schon längst Frieden.

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