Interview mit "Rhein-Zeitung"-Chefredakteur: "Bloggersprache kann auflockern"

Die Koblenzer "Rhein-Zeitung" will ab 2011 auch zwei Blogger zu Redakteuren ausbilden. Chefredakteur Christian Lindner setzt auf deren Themen und Sprachgefühl.

"Wir hatten schon Blogger zu Besuch in der Redaktion": "Rhein-Zeitung"-Chefredakteur Christian Lindner (l.) mit Sascha Lobo. Bild: dpa

taz: Herr Lindner, warum wollen Sie Blogger zu Redakteuren ausbilden?

Christian Lindner: Wir haben über die vergangenen Jahre festgestellt, dass wir unsere Volontäre nach viel zu klassischen Kriterien aussuchen. Also danach, ob sie schon genug Printerfahrung haben, ob man sie schnell auf eine wichtige Pressekonferenz schicken kann und so weiter. Seit wir im Netz aktiv sind, sehen wir, dass dort hochinteressante Menschen schreiben. Blogger gehen mit Sprache ganz anders um, sie haben eine ganz eigene Art der Themensondierung und sie sind dialogisch aufgestellt.

Was versprechen Sie sich von den Bloggern für die Printzeitung?

Der 50-Jährige ist seit 2004 einer von zwei Chefredakteuren der Rhein-Zeitung, bei der seine Karriere auch begann: mit einem (klassischen) Volontariat. Lindners Blog: blog.rhein-zeitung.de

Eine Arbeit an der Sprache, die im Print oft versprödet. Bloggersprache kann da auflockern und Mut bringen.

Woran liegt die Sprödigkeit?

An der Ehrfurcht vor dem Produkt. Außerdem erhoffe ich mir Varianz im Personal, andere Kommunikation. Klassische Redakteure sind schnell überfordert, wenn sie für das Netz schreiben und dann Antworten bekommen, die auch mal rüpelhaft sind. Es ist einfacher, Menschen, die bereits damit gearbeitet haben, bei uns einzubinden, als klassische Redakteure an den Umgang im Netz zu gewöhnen.

Das heißt, Sie suchen Volontäre, die schon Blogger sind?

Ja, wir wollen Leute, die bereits ein digitales Profil mitbringen und im digitalen Dialog stehen.

Und was sollen die bei der Rhein-Zeitung lernen?

Sie sollen lernen, sich in ein Team, in eine Redaktion einzufügen, und dabei gleichzeitig Einzelkämpfer und Autoren bleiben. Und zum Zweiten sollen sie sich auf die Region einlassen. Wir sind eine Regionalzeitung, und die Volontäre müssen Spaß an den Themen haben, die hier wichtig sind. Wir wollen sehen, was Wurzeln schlagen Bloggern bringen kann.

Wie finden das die klassischen Holz-Redakteure?

Na ja, ganz fremd ist es ja nicht. Bei uns bloggen schon viele Redakteure. Die, die das machen wollen, machen es auch. Und wir hatten schon Blogger zu Besuch in der Redaktion, das ist kein Fremdkörper mehr. Wir haben gemerkt, dass sich das wunderbar ergänzt. Der klassische Online-Auftritt reicht einfach nicht mehr. Wir müssen breiter werden, andere Zeitungen machen das ja schon vor. Über das Netz kann man dann auch dem Print zeigen, was geht, und mal schräge Texte drucken.

Schüren Sie damit nicht auch Ängste der Journalisten, irgendwann von Bloggern ersetzt zu werden?

Diese Ängste sind nur dann berechtigt, wenn wir uns nicht mit Bloggen beschäftigen. Es gibt die Blogger ja schon, und wenn wir uns nicht einklinken, werden sie sich weiter vernetzen. Da ist es besser, wenn wir jetzt genauer reinschauen, was sie da machen und was das für Zeitungen bedeutet und welche Freiräume wir schaffen können.

Von insgesamt zehn Volontären sollen ab dem kommenden Jahr zwei aus der Blogosphäre stammen - sollen die denn auch in der Zeitung auftauchen?

Der Schwerpunkt wird schon bei der digitalen Arbeit liegen, aber es wird sicherlich Ausflüge in das klassische Produkt geben. Übrigens ist eine Weiterbeschäftigung nach dem Volontariat erwünscht und wird angestrebt.

Sind die Stellen schon ausgeschrieben und haben Sie darauf schon Bewerbungen bekommen?

Ich habe die Stellen nur in meinem Blog ausgeschrieben und vertraue darauf, dass die Nachricht den Menschen, der sich dafür interessiert, schon findet. Und es haben sich schon hochinteressante Menschen gemeldet, auch solche, bei denen man eigentlich denken würde, sie müssten zu einer überregionalen Zeitung.

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