Presseprozess in Dresden: Gefährliche Recherchen

In Dresden stehen zwei Journalisten wegen angeblicher Verleumdung vor Gericht. Sie hatten im "Sachsensumpf" recherchiert, der nun wieder den Landtag erreicht.

Große Drohkulisse: Wer in Sachsen zu tief schnüffelt, dem drohen Ermittlungen und Anklage. Bild: dpa

"Das ist mein erster Fall in 22 Jahren, dass Journalisten strafrechtlich verfolgt werden", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Jörg Nabert, der unter anderem Texte der Zeit juristisch prüft. Am Donnerstag war er als Zeuge im Verleumdungsverfahren gegen die beiden investigativen Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt vor das Dresdner Amtsgericht geladen.

Das seit April laufende Verfahren gehört zu den Nachwehen der als "Sachsensumpf" kolportierten Filz- und Korruptionsvorwürfe zwischen Immobilienszene, Rotlichtmilieu und Justiz. "Nichts als heiße Luft", erklärten Staatsregierung und Justiz vor zwei Jahren.

Journalisten wurden damals durch Dossiers des Landesverfassungsschutzes auf dubiose Leipziger Vorgänge aufmerksam. Im Verfahren gegen Datt und Ginzel werden nun Passagen aus zwei Artikeln für den Spiegel und Zeit-Online vom Jahresanfang 2008 beanstandet. Gegenstand sind Vorgänge im 1993 ausgehobenen Leipziger Kinderbordell "Jasmin". Dessen Betreiber Michael W. wurde nur zu einer auffallend milden Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Der Verdacht auf einen Deal tauchte auf, weil nach späteren Aussagen W.s im Gefängnis ausgerechnet der Vorsitzende Richter N. ebenso wie ein anderer Jurist Kunde im "Jasmin" gewesen sein sollen. Auch zwei ehemalige Zwangsprostituierte sollen bei späteren Vernehmungen im Jahr 2000 diese beiden auf Fotos identifiziert haben.

Vor Gericht geht es nun gar nicht um unbewiesene und möglicherweise falsche Tatsachenbehauptungen. Presserechtlich war niemand gegen die Medien vorgegangen. Den beiden Journalisten wird im Grunde nur vorgeworfen, in ihren Recherchen weitergegangen zu sein als die Staatsanwaltschaft und zumindest auf Widersprüche hingewiesen zu haben.

Zum Beispiel auf den, dass im Protokoll der Staatsanwaltschaft von 2000 die heiklen Fotos und Aussagen nicht auftauchten. Oder weil sie die Frage stellten, ob zwischen den Ermittlungen Leipziger Polizisten gegen Richter N. wegen möglicher Rechtsbeugung, dessen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie und der Einstellung der Verfahrens ein Zusammenhang besteht.

Für Anwalt Nabert, die betroffenen Journalisten und den beobachtenden Journalistenverband völlig legitime journalistische Arbeit. Nicht so für die Dresdner Staatsanwaltschaft. Sie wollte die beiden Journalisten zu einem Strafbefehl verdonnern, was diese ablehnten. Der inzwischen pensionierte Richter N. und ein Kollege erstatteten nach dem Spiegel-Artikel Anzeige wegen Verleumdung und treten nun als Nebenkläger auf.

Weil Datt und Ginzel für den Spiegel nur als Rechercheure auftraten, deckte dieser den fest angestellten Texter des Beitrags, druckte eine Korrektur und zahlte 6.500 Euro. Für die beiden freien Journalisten aber geht es jetzt um das Berufsethos und ihre Existenz. "Hier wird das Redaktionsgeheimnis ausgehebelt und das Presserecht angezweifelt", entfuhr es Ginzel während der tendenziösen Zeugenvernehmung durch Richter Hermann Hepp-Schwab am Donnerstag. Laut wurden auch die Verteidiger, die von einer "unerträglichen Verhandlungsführung" sprachen. Erst im August wird ein Urteil erwartet.

Mittlerweile hat sich im Landtag erneut ein Untersuchungsausschuss konstituiert. Der "Sachsensumpf" scheint also noch nicht trocken gelegt. Ex-Richter N. und andere fühlen sich nach wie vor diffamiert, während viele Fragen offen bleiben. Pikantes Detail: Einer der beiden Leipziger Juristen ist im Zuge seiner Rehabilitation zum Präsidenten eben dieses Dresdner Amtsgerichtes aufgestiegen

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