Eliten-Förderung statt Bafög: Der Bund kauft sich sein Stipendium

Auf der letzten Bundesratssitzung mit schwarz-gelber Mehrheit setzt die Regierung die Elitenförderung durch. Ums Bafög wird dagegen weiter gerungen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Bild: ap

Der Bund hat die Länder wieder einmal gekauft. Um von den Ministerpräsidenten noch vor der Sommerpause die Zustimmung zum nationalen Stipendienprogramm für bis zu 160.000 Studierende zu erhalten, bezahlt Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) den staatlichen Anteil komplett aus ihrem eigenen Etat. Ursprünglich sollten die Länder, die sonst gern auf ihre Bildungshoheit pochen, die Hälfte übernehmen. "Es war die letzte Möglichkeit, dieses Gesetz angesichts der sich verändernden Mehrheiten im Bundesrat durchzubekommen", sagte Schavan.

Wegen des bevorstehenden Regierungswechsels in Nordrhein-Westfalen tagte die Länderkammer am Freitag letztmals mit schwarz-gelber Mehrheit. SPD, Grüne und Linkspartei lehnen das Modell ab. "Von den Stipendien werden nur die Studenten profitieren, die es am wenigsten nötig haben", erklärte die designierte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Bei der geplanten Erhöhung des Bafög, die rund 800.000 Studierende betrifft, wollte Schavan dagegen am Freitag nicht mit zusätzlichen Finanzhilfen für die Länder einspringen. Weil der Aufschlag bei der Ausbildungsförderung auch von den Oppositionsparteien befürwortet wird, sieht sich die Bundesregierung hier nicht unter Zeitdruck. Bislang übernimmt der Bund 65 Prozent der Kosten, die Länder tragen die restlichen 35 Prozent. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte der Leipziger Volkszeitung, das gehe nur mit einem höheren Länderanteil an der Mehrwertsteuer - "oder der Bund bezahlt auch den Kaffee, den er zuvor bestellt hat".

Die Gesamtkosten der geplanten Bafög-Erhöhung belaufen sich auf etwa 360 Millionen Euro jährlich, davon entfallen nach dem bisherigen Schlüssel 160 Millionen Euro auf die Länder. Bei dem Stipendienprogramm rechnet Schavan im Jahr 2012 erstmals mit Ausgaben von 20 Millionen Euro, bei einem Vollausbau des Programms soll der öffentliche Anteil auf knapp 300 Millionen Euro pro Jahr steigen. Das setzt allerdings voraus, dass Sponsoren aus der Wirtschaft einen gleich hohen Betrag zur Verfügung stellen.

Schavan betonte, ihr seien beide Programme gleich wichtig. "Beim Bafög gehe ich davon aus, dass das im Herbst über die Bühne geht", sagte sie. Der Anstieg der Studienanfängerquote in den vergangenen Jahren sei ohne die staatliche Förderung nicht denkbar gewesen. Den Oppositionsparteien warf sie vor, das Stipendienprogramm aus ideologischen Gründen abzulehnen. Es dürfe jedoch "keine Aversionen gegen eine Leistungselite" geben. Der Bildungsetat wächst im nächsten Jahr um 783 Millionen Euro. Aus diesem Geld, das eigentlich für andere Zwecke vorgesehen war, will Schavan nun auch den erhöhten Anteil am Stipendienprogramm bezahlen.

Im Zuge der Föderalismusreform 2006 hatte der Bund die Bildungskompetenz vollständig an die Länder abgegeben. Schavan war damals bereits Ministerin, räumte später jedoch ein, dieser Schritt sei ein Fehler gewesen. Jetzt kauft sich die Bundesregierung die Zuständigkeiten in der Hochschulpolitik Stück für Stück zurück. Der Streit um die Bildungsfinanzen ist schon seit Längerem Verhandlungsmasse im Tauziehen um eine Neuaufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern.

Die Äußerungen der Oppositionsparteien machten am Freitag deutlich, dass sich die Regierung nach den Auseinandersetzungen um eine soziale Schieflage ihres Sparpakets mit der unterschiedlichen Behandlung von Bafög und Stipendien erneut in eine schwierige Diskussionslage begibt. "Bevorzugt werden wieder einmal jene, die Schwarz-Gelb als ihre Klientel betrachten", erklärte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Die designierte NRW-Ministerpräsidentin Kraft sprach in Anspielung auf eine FDP-Parteispende von "Mövenpick-Politik auch an den Universitäten". Der Studierendenverband der Linkspartei verwies darauf, dass die Bafög-Erhöhung durch den Unistreik erkämpft worden sei. "Es ist eine ungeheure Provokation gegenüber der Schüler- und Studierendenbewegung, dass die Regierung das unsoziale Stipendienprogramm rettet, während die Bafög-Erhöhung ungewiss bleibt", hieß es in einer Erklärung.

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