Rechte Regionalzeitungen: "Die NPD stößt in ein Vakuum"

Volksnahe Themen, unauffällige Titel: Rechtsextreme gehen immer häufiger unter die Zeitungsverleger, vor allem im Osten. Die Strippen ziehen meistens NPD-Funktionäre.

Präsentiert die "harmlosen" Kernthemen seiner Partei: NPD-Chef Udo Voigt auf dem sächsischen Parteitag in Dresden. Bild: dpa

Die Namen klingen unscheinbar: Eichsfelder Stimme, Ostthüringer Bote, Nordthüringer Bote, Südthüringer Stimme oder einfach Bürgerstimme. Doch diese ostdeutschen Regionaltitel sind keine normalen Zeitungen. Es sind keine einfachen Bürger aus den Regionen, die diese Blätter herausgeben. Finanziert und organisiert werden sie von der NPD.

In Thüringen hat die rechtsextreme Partei eine Medienkampagne gestartet. "Mit den Zeitungen ist die NPD im Bundesland flächendeckend präsent", betont Stefan Heerdegen von der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. Lediglich "kleine Flecken" in der Medienlandschaft würden vom Landesverband um Frank Schwerdt nicht abgedeckt.

In den meisten der sieben Regionalzeitungen der NPD sind auf der ersten Seite Artikel zu lokalen Themen zu finden: "Ist Erfurt pleite?", "Kunsthaus Gera Größtenwahn vs. Zukunft" oder "Die Narrenfreiheit der Lift gGmbH". Nicht ohne Grund: Seit Jahren betont der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt: "Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen – Auf kommunaler Ebene kann die Ausgrenzung unterlaufen werden".

Mit den Zeitungen, so erklärt auch der NPD-Funktionär Patrick Wieschke aus Eisenach ganz offen, soll die "Graswurzelarbeit" intensiviert werden. Über 160.000 Exemplare will seine Partei unlängst an die Leser gebracht haben, auch um eine "echte Gegenöffentlichkeit zur gleichgeschalteten Medienlandschaft" zu schaffen.

"Wir hörten von Verteilungen in verschiedenen Gemeinden und Städten", sagt Heerdegen. Gern schicke sie aber auch jede "Ausgabe frei ins Haus", lässt die rechtsextreme Partei wissen. Heerdegen befürchtet: "Die NPD stößt hier in ein Vakuum". Denn im ländlichen Raum würde die lokale Berichterstattung stetig sinken, glaubt er.

Medienexperten bestätigen diesen Eindruck. "In den vergangenen Jahren konnten wir beobachten, dass die Auflagen der regionalen und lokalen Kaufzeitungen in ländlichen Regionen zwischen 2 bis 3 Prozent sinken", erklärt Christian Eggert, Fachreferent für Verlagswirtschaft beim "Bund Deutscher Zeitungsverleger" (BDZV). Auf zehn Jahre gesehen sind das zum Teil mehr als 20 Prozent.

Der Trend läuft schon länger - und hält an. "Im Osten sinken die Auflagen von Tageszeitungen schneller", sagt Eggert. Oft würde es heißen: "Wir können uns das nicht mehr leisten". Mit einer Abokündigung verlören die Zeitungen aber nicht bloß einen Lesehaushalt, sondern gleich zwei Haushalte. "Die Zeitung wird sich meist mit dem Nachbar geteilt", sagt Eggert. Er ist deshalb überzeugt: "Hier könnten Zeitungen, die sich nicht als überparteilich und unparteiisch verstehen, in eine Lücke stoßen."

Die Chance der NPD liegt in einem Dilemma der Medien. "Untersuchungen zeigen, dass ein großes Informationsbedürfnis zu lokalen Geschehnissen besteht", erklärt Eggert. Er betont jedoch auch: "Der wirtschaftliche Druck erschwert Redaktionen die Lokalredaktionen zu halten." Nicht zu vergessen sei, dass Redaktionen oft nicht mehr das Geschehen vor Ort moderierten. "Sie berichten nicht über die lokalen Entwicklungen wie dem Bau einer Gülleanlage", erinnert er. "Und sie bieten auch keine Veranstaltungen an, auf den Politiker mit der Gemeinde das Für und Wider eines Baus diskutieren könnten."

Auf dem NPD-Landesparteitag 2009 hatte Funktionär Wieschke, der auch einer der Geschäftsführer der NPD-Monatszeitung Deutsche Stimme ist, die Idee des Regionalzeitungsprojekts vorgestellt. Neu ist sie nicht: In Thüringen gab die rechtsextreme Partei schon unregelmäßig den Rennsteig Bote und den Wartburgkreisboten heraus. In Mecklenburg-Vorpommern erstellte die "Initiative für Volksaufklärung", getragen von NPD- und Kameradschaftskader, 2001 die Wurfsendung Der Inselbote.

Längst werden fünf weitere Regionalzeitungen kostenlos herausgegeben. "Die Zeitungen haben eine enorme Bedeutung", betont Günther Hoffmann, Rechtsextremismusexperte aus Mecklenburg-Vorpommern. Mit einer geschätzten Auflage von 30.000 bis 58.000 Exemplaren erreicht der Inselbote einen großen Teil der Bevölkerung in Vorpommern. Der Ton ist immer bewusst volksnah gehalten. "Angstbesetzte Themen wie Sozialabbau und 'Überfremdung' werden verstärkt mit kommunalen Diskursen wie Deichunterhaltung und Privatisierung instrumentalisiert", betont Hoffmann.

Das Konzept spiegelt sich nun in den thüringischen Regionalzeitungen wider. Die Seiten 1 und 4 greifen lokale Themen auf; die Seiten 2 und 3 sind identisch. Im Wartburgkreis Bote wird sich so für Kleingärtner stark gemacht und sogleich vor "Überfremdung" gewarnt. In der Region sitzt Wieschke auch im Stadtrat von Eisenach. Mit den Zeitungen, die auch online zu lesen sind, will Wieschke dafür sorgen, dass "kommunalpolitischen Initiativen der Mandatsträger der NPD" breiter bekannt werden. In subtiler Meinungsmache üben sich die Rechtsextremen dabei nicht. In Untertiteln wird oft das Adjektiv "patriotisch" verwendet, in den Beiträgen vertritt die Partei ihre Positionen ganz offen.

"Ich befürchte, dass die Botschaften ihre Leser finden", sagt daher Mobit-Mitarbeiter Heerdegen. Immerhin sei die NPD knapp mit 4,7 Prozent der Stimmen nur knapp am Einzug in dem Landtag gescheitert. Mit Blick auf die allgemeine Medienentwicklung glaubt auch BDZV-Referent Eggert, dass der politische Meinungsbildungsprozess gefährdet sei. In manchen Regionen könnten irgendwie nur noch 'nationale Zeitungen' lokale Themen aufgreifen: "Mit Meinungsvielfalt hat das nichts mehr gemein."

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