Die Wahrheit: Der Rohölmaler

Münsteraner Künstler will Ölkonzern BP übernehmen. Ruppe Koselleck ist der Marathonmann unter den deutschen Aktionskünstlern. Seit neun Jahren schon...

Der Aktionskünstler Ruppe Koselleck will den Umweltzerstörer BP mit eigenen Mitteln schlagen. Bild: F. Biermann

...arbeitet er an der feindlichen Übernahme des Ölkonzerns British Petrol (BP), der in Deutschland Aral heißt. Sein Übernahmemodell ist über die Jahre nur ein wenig modifiziert worden. Er sammelt an den Küsten dieser Welt den Müll des Konzerns, und aus diesen Ölklumpen fertigt er Ölmalereien an. Diese verkauft er zu einem Preis, der sich an dem aktuellen Kurs von vier BP-Aktien orientiert. Der Verkaufserlös wird zweigeteilt. Die eine Hälfte des Erlöses wandert in seine eigene Tasche, schließlich muss er eine Familie ernähren, und seinen festen Job als Kunstlehrer an einem Gymnasium möchte er gern an den Nagel hängen. Mit der anderen Hälfte kauft er BP-Aktien.

Wer den Aktionskünstler in seinem gutsituierten permanenten Übernahmebüro am Münsteraner Kreativ-Kai besucht, der hat inzwischen die Wahl zwischen diversen Ölresten: Die Peloponnes, St. Peter-Ording, Laboe, die irische und die holländische Nordseeküste, den Golf von Mexiko, das alles hat er im Angebot. Er ist mittlerweile Ölkenner geworden. In die Uniform eines BP-Tankwarts gekleidet, zündet er die Ölreste mit einem grünen Feuerzeug an, kann schon am Geruch Rohöl von raffiniertem Öl unterscheiden.

Mit der Solidität eines hanseatischen Kaufmanns führt Koselleck sein Übernahmegeschäft. Jeder Käufer kann sich in einem großen Kontorbuch verewigen. Etliche Seiten haben sich gefüllt, aber sehr viele sind auch noch leer. 250 Menschen hat er gewinnen können, 1.200 Aktien und einige Stimmrechtsüberschreibungen kann der Künstler sein eigen nennen. In sozialen Netzwerken wie Facebook wirbt er für seine Idee, und selbstverständlich kann man seine Ölmalereien inzwischen auch bei Ebay ersteigern. Und durch die "politisch-parasitäre" Anwendung des Verkaufsportals "Nutzung" erzielt er mit 110 Euro pro Bild deutlich höhere Verkaufserlöse als im Direktverkauf, "was für die Übernahme natürlich von Vorteil ist".

Auch wenn seine wirtschaftliche Verhandlungsmacht noch übersichtlich ist, habe sich sein Projekt grundsätzlich gewandelt, findet Koselleck. "Aus der ästhetischen Phase der vergnüglichen Vergeblichkeit ist mein Projekt inzwischen in die politische Phase übergegangen." Er weiß die moralische Mehrheit hinter sich, wenn er die Zerschlagung und Verstaatlichung des Ölkonzerns fordert. "In diversen Blogs bin ich schon als Prophet bezeichnet worden, weil ich vor neun Jahren diese Idee hatte."

Aus seinem einst so übermächtigen Kriegsgegner ist inzwischen ein "zerzauster Konzern" (FAS) geworden. Und für den Homo politikus ist klar, dass "alle Rohstoffe den Völkern gehören müssen. Luft, Wasser, Energievorräte, das gehört nicht in private Hände".

Wo künstlerische Idee und ökologisches Totalversagen so aufeinandertreffen, da verwundert es schon nicht mehr, wenn der Künstler von einem solventen Kunstsammler eingeladen wird, zu einer Reise nach Florida. Im Tauschgeschäft mit der ersten Original-Koselleck-Ölmalerei, die vor Ort entsteht. Im Juli wird sich der umtriebige Aktionskünstler persönlich ein Bild vom "deep horizon" im Golf von Mexiko, der größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA machen können.

Das Drehbuch für den Amerika-Trip ist noch nicht geschrieben. "Für mich war nur klar, ich muss da jetzt hinfahren und in Öl malen." Er hofft auf spontane und interessante Kontakte, etwa zum Dokumentarfilmer Michael Moore. Um die Amerikaner auf seine visionäre "Takeover BP"-Idee einzustimmen, hat er ein englischsprachiges Video bei Youtube eingestellt, das seine Aktion erklärt. Einstweilen sucht er einen Pressesprecher, der klare Ansagen wie "Die Übernahmeschlacht wird jetzt mit allen Härten geschlagen" kongenial ins Amerikanische übersetzen kann.

Der letzte unmittelbare Kontakt zu seinem Kriegsgegner war eher unerfreulicher Natur. Nach einer Einladung mit seinem "feindlichen Übernahmebüro" in den Bochumer Kunstverein im Februar dieses Jahres fuhr er am nächsten Tag spontan zur gut gesicherten Konzernzentrale. Er hängte eine zerbeulte Ölkanne ans Firmenlogo, was den Werksschutz auf den Plan rief, der die Polizei verständigte. Geschlagene anderthalb Stunden musste der subversive Künstler am Werkstor ausharren, ehe die Polizei kam und den Fall zu Protokoll nahm. In Bochum wurde nämlich gerade kräftig Karneval gefeiert, der Bochumer "Mummenschanz".

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