Missbrauchs-Prozess: Einblicke in eine grauenhafte Welt

Das Landgericht Kiel verhandelt gegen einen 37-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Verabredung zum Mord. Der Angeklagte war in einem Pädophilen-Chat aktiv. Er verweigert die Aussage.

Schauriges Beweismaterial: Nach einer bundesweiten Razzia sichtet eine Polizeibeamtin Datenträger, auf denen Kinderpornographie vermutet wird. Bild: ap

"Ich war so stolz, dass er so ein toller Papa ist", sagt die frühere Ehefrau von Daniel V. und dann bricht sie in Tränen aus. Der 37-Jährige steht vor dem Kieler Landgericht, wegen schwerem sexuellen Missbrauch und wegen Verabredung zum Mord. Er soll im Internet mit einem unbekannten Mittäter die Entführung, den Missbrauch und die Tötung eines Kindes geplant haben.

Daniel V. ist Energieanlagenelektroniker, er trägt Brille, ein grünes Hemd und Jeans. Er ist bleich und wirkt wie ein Mann, dem sein Äußeres gleichgültig ist. Er sieht nicht hin, als seine Eltern in den Saal des Landgerichts Kiel kommen und die Aussage verweigern, er sieht nicht hin, als Bernhard B. aussagt. Bernhard B. ist einer seiner Chatpartner in dem Pädophilenforum "Geisterwald" gewesen, mit dessen Festnahme auch Daniel V. aufflog. Der war bereits 2002 wegen des Besitzes von Kinderpornographie bereits zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

Sohn gegen Sohn

Bernhard B. sagt ausführlich aus. Es ist auf eine grauenhafte Weise unwirklich, was dieser kindlich aussehende, höfliche Mann im rotkarierten Hemd berichtet. Dass er Daniel V. als "Goofy" kennengelernt habe, dass sie im Sommer 2008 einen so genannten Boytausch vereinbarten. Daniel V. sollte den sechsjährigen Sohn von B. missbrauchen dürfen, im Gegenzug sollte sich B. am dreijährigen Sohn von V. vergehen dürfen. Das Motto sei gewesen: "Wir machen, was geht und was nicht geht, machen wir nicht". Der Dreijährige sei ihm eigentlich zu jung gewesen, sagt B., "man kann dann nicht so viel machen". Außerdem habe V. zögerlich gewirkt und ihm 300 Euro angeboten - ob alternativ, das wird vor Gericht zunächst nicht klar. "Ich nehme doch kein Geld für meinen Sohn", sagt B., es klingt wie eine moralische Grundüberzeugung. Dabei ist die Währung eine andere: Missbrauchsmöglichkeit gegen Missbrauchsmöglichkeit.

Auffallendes Interesse

Seiner Ehefrau sagt V., er wolle gemeinsam mit einem Arbeitskollegen einen Vater-Sohn-Urlaub machen; er bucht eine Unterkunft auf einem Ferienbauernhof im Harz. Doch es kommt nicht mehr zu dem Treffen: zwei Wochen davor wird er festgenommen.

Wie er V. innerhalb der Chatter im Pädophilenforum einordnen würde, fragt der Sexualmediziner, den das Gericht als Sachverständigen bestellt hat. "Ein Vernünftiger, eher sanft", sagt B.. Er habe V.s Interesse an seinem Sohn auffallend gefunden, aber schließlich habe er, der Vater, sehr von ihm geschwärmt und Nacktfotos ins Netz gestellt, auf denen das Kind bei sexuellen Handlungen zu sehen war. Im Chat tauschen sich die Männer darüber aus, ob sie die Kinder mit K.O.-Tropfen ruhig stellen wollen. "Aber es macht viel mehr Spaß, wenn die Kinder dabei sind", sagt B.. Gewalt sollte keine Rolle spielen. "Wie würden Sie Ihre Sexualität beschreiben?", fragt der Sachverständige. "Soll ich aus meinem Gutachten zitieren?", fragt B. zurück, es ist ernst gemeint. Und dann sagt er: "Sexuelle Devianz."

V. sagt nichts. Er verweigert die Aussage. Die Staatsanwaltschaft hat auf seinem Rechner 200.000 Bilddateien und 2.000 Videodateien sichergestellt, auf einigen sind schwerste Gewaltanwendungen gegen Kinder zu sehen. Gegenüber der Polizei hat er ausgesagt, dass er sich aus Neugierde in den Pädophilen-Chat begeben habe.

Therapie hilft V. nicht

Nach seiner Verurteilung 2002 hat V. eine zweijährige Therapie begonnen, die aber nur zur Verdrängung seiner Phantasien geführt habe. Mit der Geburt des Sohnes, so erinnert sich zumindest der Polizeibeamte, der V. vernommen hat, sei das Problem wieder aufgetaucht. Das Kind aber, so habe V. vehement erklärt, habe er nicht missbraucht. Eben das hatte er aber im Chat behauptet.

Was die Nutzer dort erzählten, habe oft nichts zu sagen, so stellt es zumindest B. dar. "Man sagt dann, dass man fünf Kinder zur Verfügung hat, obwohl es nur eins ist", sagt er. Und dann bietet er noch einen kurzen Einblick in diese grauenhafte Welt: "Man stellt sich besser dar, als man ist."

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